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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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ängstliches Flüstern. Aber es ist schlimmer.
    »Du hast meine Bücher angefasst!« Voller Unmut starrt er auf mich herunter.
    Ich nicke beschämt. Am liebsten hätte ich mich in Luft aufgelöst.
    »Solltest du sie in Zukunft wieder berühren, sorge dafür, dass deine Hände sauber sind«, sagt er barsch.
    Ich blinzle überrascht.
    »Und du musst mit mir über deine Lektüre sprechen«, fährt er fort. »In diesen Büchern gibt es Ungereimtheiten, die geklärt werden müssen.« Er geht zurück in sein Studierzimmer. Natürlich werde ich nichts dergleichen tun. Ich finde, er muss nicht mit Kleinigkeiten behelligt werden. Doch der Gedanke daran, die Bücher zu lesen, hat sich in mir als ein Vergnügen eingenistet, und ich kehre beim Einschlafen zu ihm zurück. »Über deine Lektüre sprechen.« Ich könnte so viel lernen.
    Aber Freude ist eine Schwäche, und ich wappne mich dagegen, wo ich nur kann. Ich rede mir ein, dass es einen härter macht, wenn man unfreundlich behandelt wird, denn dann ist man umgekehrt besser davor geschützt, auf törichte Weise weich und verletzlich zu sein. Aber wenn jemand zufällig etwas Nettes zu mir sagt, schlägt mein Herz heftig so wie heute, als Mrs. Spicer mich über die Theke hinweg mustert, während sie rohe Esskastanien abwiegt.
    »Du bist auffallend blass«, sagt sie, packt die Ware ein und reicht sie mir.
    »Ich schlafe im Moment nicht besonders gut«, beginne ich, aber dann reiße ich mich zusammen.
    »Behandeln sie dich gut in diesem Haus?«, hakt sie nach. »Oder sollte ich sagen, in diesem Höllenhaus, weiß Gott!«
    »Oh ja«, beeile ich mich zu erwidern. »Es ist nur, dass ich manchmal nicht so gut schlafe, wie viele andere auch.« Sie legt mitfühlend den Kopf auf die Seite. Ich drücke mir das Paket an die Brust.
    »Trotzdem, deine Wangen sind blasser, als sie sein sollten, noch heller als vor einem Monat.« Sie ist nicht davon abzubringen. »Das kommt ganz bestimmt davon, dass du nicht bei dir zu Hause bist. Es ist unnatürlich, so weit weg von der Heimaterde zu sein, arme Kleine.«
    »Es ist nichts«, sage ich, und meine Stimme zittert nicht. Ich verlasse rasch den Laden und gehe hinaus in den Regen.
    Als ich ins Haus zurückkehre, ist niemand da.
    Ich ziehe mich in die Spülküche zurück und schluchze und schluchze. Ich will zu meiner Mutter wie ein kleines Kind. Ich sehne mich nach zu Hause – nach den Wäldern, die um diese Zeit kahl sind, und nach dem Wind, der im Klang des Winters an den Bäumen rüttelt. Ich sehne mich nach offener Landschaft und nach einer kräftigen Brise, die mir um die Ohren weht. Ich sehne mich danach, die Ahornsamen an den Zweigen baumeln zu sehen. »Kinderschlüssel! Kinderschlüssel!«, höre ich im Geiste Williams entzückte Stimme rufen, als er mit einem Bündel davon in seiner kleinen Faust auf mich zurennt.
    Dann höre ich, wie die Haustür geöffnet wird und Mrs. Blight mit unsicheren Schritten durch den Flur kommt. Rasch trockne ich mir die Augen und schelte mich für meine Schwäche. Als Mrs. Blight in der Küche auftaucht, starrt sie misstrauisch auf mein heißes Gesicht.
    »Hast du nichts zu tun?«, fragt sie. »Warum ist dieses Feuer fast aus, wo ich doch gleich Kalbsnacken kochen will?«
    »Ich habe es nicht gemerkt«, antworte ich kleinlaut.
    »Eine Menge Leute in der Stadt heutzutage, die nicht von hier sind«, murmelt Mrs. Blight unfreundlich, während sie in den Kohlen stochert. Sie riecht wieder nach Alkohol, was bedeutet, dass sie auf dem Rückweg vom Markt irgendwo etwas getrunken haben muss. »Nutzlos, dem nachzutrauern, was ein für alle Mal vorbei ist. Das Leben besteht hauptsächlich darin, das zu ertragen, was auf einen zukommt. Und dir die Augen vor Kummer rot zu weinen, bringt dich nicht weiter, Mädchen, es sei denn, du willst unbedingt so hässlich werden wie die Leute, die immer schlecht gelaunt sind.« Ärgerlich knallt sie den Kohleeimer auf die Steine vor dem Herd und nimmt den Blasebalg zur Hand. Sie hat natürlich recht, aber ich hasse sie trotzdem dafür.
    »Ich weiß das«, sage ich und beiße die Zähne zusammen. »Am besten wartet man, bis die Zeit das schlimmste Leid verschluckt hat.«
    »Das ganze Leben ist Leiden, mein Kind, und die Zeit isst nichts auf«, sagt Mrs. Blight bitter und betätigt den Blasebalg. »Das wirst du noch selbst herausfinden.«
    Die Kohlen beginnen zu glühen.
    Natürlich widerspreche ich ihr nicht und versuche auch nicht, ihr zu erklären, warum sie falschliegt. Ich

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