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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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ihr die Dinge, die ich ihr auf unserer Reise nicht gesagt habe, Dinge, die ich noch nie jemandem erzählt habe. Ich flüstere sie nicht einmal – ich forme die Worte in der Dunkelheit unhörbar mit den Lippen.
    Ich erzähle ihr, dass ich noch nie einen Mann geliebt habe.
    Ich erzähle ihr, dass am 4. September ein Mann meine Zuneigung ausgenutzt und alles zum Bösen gewendet hat – so wie einem Huhn vor dem Rupfen und Kochen der Hals umgedreht wird, aber aus geringerem Anlass.
    Und ich denke daran, dass es eine Änderung beim Kalender gegeben hat, bei der der 4. September 1752 zusammen mit zehn weiteren Tagen einfach verschluckt wurde. Es ging darum, auf den gleichen Stand wie andere Länder zu kommen. Mrs. Blight hat nicht recht, denke ich – unter gewissen Umständen kann die Zeit alles verschlucken.
    Wir haben den Wechsel erst bemerkt, als er bereits vollzogen war. Vier Tage von dem Teil des Monats, der sofort entfernt werden sollte, waren schon vergangen. Entfernt wie totes Holz oder ein Stück Stoff, das nicht zum Muster passt. Man hatte einfach etwas aus dem Jahr herausgeschnitten, damit es sauber in seinen neuen Rahmen passte, aber wir waren davon überrascht worden. Am Sonntag in der Kirche hatte uns Reverend Waldegrave darauf aufmerksam gemacht. Mit seiner langen und dünnen Gestalt sah er aus wie ein Löffel im Priestergewand. Feierlich las er aus Psalm einhundertvier vor, um die Befürchtungen zu beschwichtigen, die wir möglicherweise hegten.
    »Du bist es, der den Mond erschuf zum Zeitenmaß; die Sonne kennt die Stunde ihres Untergangs. Schickst du Finsternis, so wird es Nacht. Die Sonne erstrahlt; nun geht der Mensch an seine Arbeit und an sein Tagewerk bis gegen Abend«, sang er.
    »Nichts hat sich verändert«, versicherte er uns von seiner Kanzel herunter. Ich klammerte mich dankbar an diesen Gedanken. Meine Schande wuchs in mir heran, obwohl ich es damals noch nicht wusste. »Seht euch um«, forderte der Reverend uns auf. »Gottes Welt ist in gewisser Weise unveränderlich.« Ich mochte die Art, wie er das gute Buch an die Brust drückte, als spendete es ihm Wärme.
    Und so sprangen wir ohne viel Aufhebens zur Mitte des Monats, indem wir vom 2. auf den 14. September vorrückten. Ein paar besondere Tage wurden verschoben: Mariä Geburt, die Kreuzerhöhung. Es gab einige Leute im Ort, die dachten, sie wären beraubt worden, aber den meisten machte es nichts aus. Mir kam nur langsam die Erkenntnis, dass der Verlust der Tage für mich vielleicht ein Segen sein könnte. Der 4. September, der Tag meines Verderbens, war einfach verschwunden.
    Alles hat sich gut gefügt, redete ich mir immer wieder ein. Darin lag eine Art Magie. Zuerst dachte ich, dass mir das Parlament unbeabsichtigt einen Gefallen getan hatte, und verschwendete folglich keinen Gedanken an die Folgen dessen, was mir im Bohnenfeld zugestoßen war – bis es zu spät war.
    Und ich bin bestürzt, als Lettice Talbot mir in meiner Einbildung eines Nachts mit ihrem schönen roten Mund deutlich sagt: »Das ist ja gut und schön, Agnes Trussel, aber trotzdem hast du die Saat dieses Tages in dir. Was wirst du tun, wenn dieses Ding kommt? Welche Vorbereitungen hast du getroffen?«
    »Daran kann ich jetzt nicht denken«, antworte ich verärgert und balle die Fäuste. »Ich schlafe gerade!«
    Dann wache ich auf. Ich muss geschrien haben, denn ich höre, wie sich Mary Spurren im oberen Stockwerk in ihrem Bett bewegt. Ich zittere vor Elend. Ich kann nicht nachdenken, ich will nicht. Ich kann nicht. Doch die Nacht draußen geht langsam in den Morgen über, und was kann ich tun, um sie aufzuhalten? Allmählich wird mir aufs Neue bewusst, wie ernst meine Lage ist.

14

    Draußen vor dem Haus ist alles von stacheligem Raureif überzogen. Das Wasser im Krug in meiner Kammer ist an der Oberfläche gefroren, die ich erst durchstoßen muss, bevor ich es herausgießen und mich waschen kann. Durch den Frost wirkt alles wieder ganz unvertraut.
    Als ich später eine dringende Nachricht zu einem Kaufmann in der Cannon Street bringe, nehme ich eine falsche Abzweigung, dann noch einmal, und plötzlich finde ich mich an der Themse wieder. Mein Atem bildet Wölkchen in der kalten Luft, während ich dort stehe und starre. An den Kais liegen viele Frachtkähne, und Arbeiter löschen die Ladungen. Die Männer tragen die Güter in die Warenhäuser und auf Wagen, hämmern Metallstreifen um Fässer, fluchen und bedienen Lastenkräne. Das Wasser funkelt verlockend.

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