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Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Farben des Feuers: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Borodale
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sich Sorgen, dass jemand sie zur nächsten Hinrichtung schleppt.« Sie versucht, es zu erklären: »Es ist eher … die Atmosphäre, weshalb man hingeht. Das eigentliche Hängen dauert nicht so lang.«
    Der Geruch des schmorenden Schweinebratens ist überall.
    »Manchmal gibt es ein bisschen Unruhe, wenn sie sie losschneiden, weil die Familien um die Leiche, die sie beerdigen wollen, gegen die Chirurgen kämpfen, die immer auf ein bisschen Fleisch hoffen, an dem sie üben können. Ist aber nicht so schlimm, wie du denkst. Wenn du ein paar gesehen hast, naja«, sie zuckt mit den Schultern, »dann hast du alle gesehen. Manchmal, so wie heute, hängen sie eine ganze Gruppe auf einmal – dann werden sechs oder sieben nebeneinander bestraft. Könnte mir vorstellen, dass das tröstet, wenn man in seinen letzten Momenten ein bisschen Gesellschaft hat.«
    Ich stecke das Messer in das Brot auf dem Brett und schneide den ganzen Laib gleichmäßig auf. Ich bin wie benommen. Mary Spurrens Erkältung wird schlimmer, und sie zieht die Nase hoch, während sie sich in der Spülküche über die Bütte beugt und einen schmutzigen Topf schrubbt.
    Mrs. Blight sieht mich stirnrunzelnd an.
    »Hoffe, du bist hungrig, mein Fräulein«, bemerkt sie scharf, »so, wie du das ganze Brot verschwendest.«
    »Oh ja, sehr hungrig. Ich glaube, ich könnte verhungern. Jeder von uns könnte das, wenn er mal hier, mal da den falschen Weg einschlägt«, gebe ich zurück und lege das Messer hin. »Sogar Mr. Blacklock sagt, hier in der Stadt ist die Gosse immer nur einen Schritt weit entfernt.«
    Mary Spurren kommt aus der Spülküche und wischt sich mit einem zerknüllten Taschentuch über die Nase. »Ich mag’s nicht, wenn viele Leute um mich rum sind«, sagt sie, und ich nicke.
    »Ihr müsst härter werden«, sagt Mrs. Blight. »Ihr seid vor gewissen Dingen im Leben geschützt gewesen. Ich meine nicht, dass ihr noch nicht den Biss des Elends gespürt habt oder für die Fehler von anderen büßen musstet. Aber ihr wisst noch nicht, dass die Hälfte der Welt aus Schlechtigkeit besteht und wie es kommt, dass wir im natürlichen Fluss des Lebens mit ihr verkehren.«
    Sie macht eine ausholende Geste mit ihrer leeren Flasche.
    »Geht dem Ärger aus dem Weg, und bietet ihm die Stirn, wenn er euch doch findet – was immer mal wieder vorkommen wird. Über das Böse wird nicht immer Rechenschaft abgelegt. Das meiste, wenn nicht alles, schlüpft unbemerkt davon.«
    »Haben Sie kein Vertrauen in Gerechtigkeit?«, frage ich. »Warum mögen Sie Ihre Broschüren so sehr?«
    »Gerechtigkeit!«, gackert sie. »Das hör sich einer an, wie dieses Mädchen redet! Was ist das, Gerechtigkeit?« Sie sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an.
    »Was ist mit der göttlichen Gerechtigkeit?«, frage ich.
    »Die Welt ist wie eine Schrotsäge«, fährt sie fort. »Sie sägt in beide Richtungen, und manchmal gibt es Wiedergutmachung und manchmal eben nicht. Und ihr kennt meine Gefühle, wenn’s um Gotteshäuser geht – ich hab schon oft gesagt, dass das nichts für mich ist. Alles, was aus Ziegeln und Mörtel erbaut wurde, ist von Menschenhand gemacht und kann keine höhere Sache verkörpern. Jeder ist sich selbst der Nächste.«
    Sie klopft sich an den Kopf. »Ich habe meinen eigenen Ratgeber«, sagt sie.
    »So, wie ich ein Gewissen habe«, erwidere ich ganz leise.

AURORA

21

    »Nach dem, was Sie mir erklärt haben«, sage ich zu Mr. Blacklock, als wir schließlich über den dritten Bestandteil von Schwarzpulver sprechen, »ist Schwefel in der Erde verborgen.« Ich blicke ihn fragend an, um zu sehen, ob ich alles verstanden habe, und wiederhole langsam mit meinen eigenen Worten, was er mir bereits erzählt hat. »Schwefel befindet sich unter der Erdkruste und ruht leuchtend gelb in der Dunkelheit des Bodens. Er ist alt, so alt wie die Hügel, in denen er verborgen liegt. Sie haben gesagt, dass Schwefel an Orten vorkommt, wo die Erde gebrodelt hat und geschmolzener Stein aus Spalten und Kratern gedrungen ist.« Er nickt ernst.
    »Aber ich kann mir das alles überhaupt nicht vorstellen«, fahre ich fort. »Es führt doch zu nichts, sich das Innere der lebenden Erde auszumalen.«
    Mr. Blacklock zieht die Augenbrauen hoch. »Tatsächlich?«, sagt er und kratzt sich am Kopf. »Dann solltest du bedenken, dass die Erde rund ist wie ein Obstkern, der innen mit Mineralien und unvorstellbarem flüssigem Feuer gefüllt ist.«
    »Aber wie kann ich sicher sein, dass das

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