Die Farm
Sintflut kam nicht in Frage. Ich schlief ein, bevor David Goliath mit einem Stein erschlug.
* * *
Am nächsten Tag verkündeten meine Eltern, dass sie in die Stadt fahren wollten. Ich durfte mitkommen - es wäre grausam gewesen, mir diesen Ausflug zu verwehren -, aber Pappy und Gran blieben zu Hause. Es war ein kleiner Familienausflug.
Eiscreme wurde erwähnt. Dank Cowboy und Tally hatten wir ein bisschen extra Benzin, und auf der Farm gab es nichts zu tun. Das Wasser stand zwischen den Baumwollreihen.
Ich saß vorn bei ihnen und achtete auf den Tachometer. Kaum waren wir auf der Landstraße und fuhren nach Norden Richtung Black Oak, hörte mein Vater auf zu schalten und der Tacho zeigte fünfundvierzig Meilen pro Stunde. Mir schien, als verhielte sich der Pick-up genauso wie bei siebenunddreißig Meilen, aber Pappy gegenüber würde ich das nicht erwähnen.
Es war merkwürdig tröstlich zu sehen, dass der Regen auch auf den anderen Farmen die Arbeit unterbunden hatte. Niemand schleppte sich durch die Felder und versuchte zu pflücken.
Kein einziger Mexikaner war zu sehen.
Unser Land lag tief und wurde früh überschwemmt, und wir hatten schon mehr Ernten verloren als andere Farmer. Aber jetzt schien es, als träfe es alle gleichermaßen.
Es war Mittag, und die Leute hatten nichts zu tun, außer zu warten, und deswegen saßen sie auf den Veranden und beobachteten den Verkehr. Die Frauen pulten Erbsen. Die Männer unterhielten sich und machten sich Sorgen. Die Kinder saßen entweder auf der Treppe oder spielten im Schlamm. Wir kannten sie alle, jede Familie. Wir winkten, sie winkten, und fast hörten wir sie sagen: »Warum die Chandlers wohl in die Stadt fahren?«
In der Main Street war nichts los. Wir parkten vor der Eisenwarenhandlung. Drei Häuser weiter vor dem Co-op war eine Gruppe Farmer in Overalls in eine ernste Diskussion vertieft. Mein Vater fühlte sich verpflichtet, dort als Erstes vorbeizuschauen und sich ihre Vorhersagen und Meinungen bezüglich der Regenfälle anzuhören. Ich ging mit meiner Mutter in den Drugstore, wo ganz hinten an einer Theke Eis verkauft wurde. Hier arbeitete, seit ich mich erinnern konnte, ein hübsches Mädchen aus der Stadt namens Cindy. Sie hatte im Augenblick keine anderen Kunden, und ich bekam eine besonders großzügige Portion Vanilleeis mit Kirschen. Meine Mutter bezahlte fünf Cent dafür. Ich setzte mich auf einen Hocker. Da ich einen Platz für die nächste halbe Stunde gefunden hatte, zog meine Mutter los, um ein paar Dinge zu kaufen.
Cindy hatte einen älteren Bruder gehabt, der bei einem grässlichen Autounfall ums Leben gekommen war, und jedes Mal, wenn ich sie sah, musste ich an die Geschichten denken, die ich darüber gehört hatte. Das Auto hatte gebrannt, und sie konnten ihren Bruder nicht aus dem Wrack holen. Eine Menge Leute hatte dabeigestanden, was natürlich hieß, dass es viele verschiedene Versionen von diesem schrecklichen Ereignis gab.
Cindy war zwar hübsch, blickte aber immer traurig drein, und ich wusste, dass das an der Tragödie lag. Sie wollte nicht reden, und das war mir recht. Ich aß langsam, damit das Eis möglichst lange vorhielt, und sah ihr zu, wie sie hinter der Theke herumhantierte.
Ich hatte genug Geflüster gehört, um zu wissen, dass meine Eltern einen Telefonanruf machen wollten. Da wir kein Telefon hatten, mussten sie ein fremdes benutzen. Ich vermutete, dass es sich dabei um das Telefon im Laden von Pop und Pearl handelte.
In den meisten Häusern der Stadt gab es ein Telefon, ebenso in allen Geschäften. Und auch die Farmer, die nur zwei oder drei Meilen außerhalb lebten, hatten Telefon, weil die Leitungen bis zu ihnen gezogen waren. Meine Mutter hatte mir einmal erzählt, dass es noch Jahre dauern würde, bis auch wir an das Telefonnetz angeschlossen wären. Pappy wollte sowieso kein Telefon. Er war der Ansicht, dass man dann mit den Leuten reden musste, wann es ihnen passte, und nicht, wann es einem selbst passte. Ein Fernsehgerät wäre durchaus interessant, aber Telefon konnte man vergessen.
Jackie Moon trat durch die Tür und kam nach hinten zur Theke. »Hallo, kleiner Chandler«, sagte er, zerzauste mein Haar und setzte sich neben mich. »Was bringt dich hierher?«, fragte er.
»Eis«, sagte ich, und er lachte.
Cindy kam zu uns und sagte: »Das Übliche?«
»Ja, Ma’am«, sagte er. »Und wie geht’s dir?«
»Mir geht’s gut, Jackie«, gurrte sie. Sie sahen einander lange an, und ich hatte den Eindruck, als
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