Die Feuer des Himmels
Worte richtig zu begreifen. Man forderte von ihm nur die Bereitschaft, sie sterben zu sehen.
»Ihr laßt mir wohl keine andere Wahl, oder?« Moiraine hatte auch keine andere gehabt.
»Man hat immer die Wahl, Rand al'Thor. Ihr habt die Wahl, wie Ihr euch entscheiden wollt, und ich habe eine. Ji'e'toh läßt uns keine weiteren.«
Er hätte sie am liebsten angefaucht wie ein Tier und fi'e'toh und alle, die dieser Lehre folgten, verflucht. »So wählt denn Eure Töchter aus, Sulin. Ich weiß nicht, wie viele ich mitnehmen kann, aber es werden genauso viele Far Dareis Mai sein, wie aus den anderen Kriegergemeinschaften. «
Er stolzierte an ihr und ihrem plötzlichen Lächeln vorbei. Keine Erleichterung. Freude. Freude, weil sie eine Chance zum Sterben bekam. Er hätte sie durch Saidin gefesselt zurücklassen und sich dann mit ihr befassen sollen, wenn er aus Caemlyn zurück war. Er riß die Tür auf, schritt hinaus auf den Kai - und blieb unvermittelt stehen.
Enaila stand an der Spitze einer Reihe von Töchtern des Speers, alle mit je drei Speeren in der Hand, die sich von der Tür des Hafenmeisters den Kai entlang zog und schließlich hinter dem nächsten Tor zur Stadt verschwand. Einige der Aiel am Hafen spähten neugierig zu ihnen herüber, aber es war offensichtlich eine Sache zwischen den Far Darei Mai und dem Car'a'carn und ging die anderen Kriegergemeinschaften nichts an. Amys und drei oder vier andere Weise Frauen, die selbst einst Töchter des Speers gewesen waren, beobachteten die Szenerie allerdings etwas genauer. Die meisten der Stadtbewohner und Schauerleute waren weg, bis auf ein paar Mann, die sich damit abplagten, umgestürzte Getreidekarren wieder aufzurichten. Sie bemühten sich betont, jeden Blick zu den Töchtern hin zu meiden. Enaila trat auf Rand zu, blieb dann aber stehen und lächelte, als sie Sulin herauskommen sah. Keine Erleichterung in diesem Lächeln. Freude. Ein Lächeln purer Freude wanderte die lange Reihe der Töchter entlang. Auch die Weisen Frauen lächelten, und Amys nickte ihm kurz anerkennend zu, als habe er sein idiotisches Verhalten eingesehen und geändert.
»Ich glaubte schon, sie müßten vielleicht eine nach der anderen hineingehen, um dich aus deiner trüben Stimmung herauszuküssen«, sagte Mat.
Rand blickte ihn düster an, wie er dastand, auf seinen Speer gestützt, grinsend, den breitkrempigen Hut weit nach hinten geschoben. »Wie kannst du nur so guter Dinge sein?« Der Gestank nach verbranntem Fleisch hing noch immer in der Luft, und das Stöhnen der Männer und Frauen, die Verbrennungen erlitten hatten und nun von den Weisen Frauen versorgt wurden, hatte nicht nachgelassen.
»Weil ich noch lebe«, knurrte Mat. »Was willst du von mir? Soll ich heulen?« Er zuckte unangenehm berührt die Achseln. »Amys sagt, Egwene wird in ein paar Tagen wieder in Ordnung sein.« Dann sah er sich um, aber so, als wolle er eigentlich nicht sehen, was vor seinen Augen lag. »Seng mich, wenn wir diese Sache erledigen wollen, dann laß uns aufbrechen. Dovie'andi se tovya sagain.«
»Was?«
»Ich sagte, es sei Zeit, die Würfel rollen zu lassen. Hat Sulin dir die Ohren verstopft?«
»Zeit, daß die Würfel rollen«, bestätigte Rand. Die Flammen in dem glasartigen Schornstein aus Luft waren erloschen, doch der weiße Qualm stieg noch immer darin auf, als brenne der Ter'Angreal unablässig weiter. Moiraine. Er hätte... Was vorbei war, war vorbei. Die Töchter versammelten sich um Sulin, so viele, wie überhaupt nur auf dem Kai Platz fanden. Vorbei war vorbei, und damit mußte er nun leben. Der Tod wäre eine Erlösung von all diesen Dingen, mit denen er leben mußte. »Also packen wir's an.«
KAPITEL
54
Nach Caemlyn
F ünfhundert Töchter des Speers mit Sulin an der Spitze geleiteten Rand zurück zum Königspalast wo Bael in dem großen Vorhof gleich hinter dem Eingangstor mit Donnergängern, Schwarzaugen, Wassersuchern und Männern aus all den anderen Kriegergemeinschaften wartete. Es waren so viele, daß der ganze Hof voll war und sie sich hinten durch alle Türen, selbst den Dienstboteneingang, noch in den Palast selbst hineindrängten. Einige sahen von den unteren Fenstern aus zu und warteten darauf, daß sie an die Reihe kämen und hinaustreten durften. Die erhöhten Terrassen rund um den Hof waren allerdings leer. Im gesamten Palasthof befand sich nur ein Mann, der kein Aiel war. Die Tairener und die Menschen aus Cairhien -letztere ganz besonders - machten einen großen
Weitere Kostenlose Bücher