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Die Feuer von Eden

Titel: Die Feuer von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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flüsterte Worte, die ein Gebet sein mochten, und gab meinem Pferd die Sporen, um Mr. Clemens zu folgen.
     
    Ein Schatten fiel auf die Seite. Cordie Stumpf blickte auf.
    »Interessantes Buch?« erkundigte sich Eleanor.
    Cordie zuckte die sonnenverbrannten Schultern. »Die Personen sind recht interessant. Die Handlung stinkt.«
    Eleanor kicherte und setzte sich auf den Liegestuhl neben Cordie. Der Wind kam jetzt mehr aus Südwest, so daß die Küste relativ rauchfrei war. Der Himmel über den Palmen war blau. Cordie hatte ihren Liegestuhl mit der Rückenlehne zum Strand aufgestellt, damit das spätnachmittägliche Sonnenlicht auf die Seiten fiel. Die Schatten der Palmen auf dem Rasen wurden immer länger. »Mal im Ernst«, sagte Eleanor. »Was hältst du davon?«
    Cordie markierte die Stelle, die sie gerade gelesen hatte, mit einer Werbepostkarte, und klappte das lederne Tagebuch zu. »Ich glaube, ich verstehe jetzt, warum du hergekommen bist, Nell.«
    Eleanor musterte die andere Frau. Cordie Stumpfs Mondgesicht war rosa vom Sonnenbrand, aber darunter war eine deutliche Blässe zu erkennen, und ihre Lippen waren weiß. Eleanor wußte sofort, daß ihre Freundin Schmerzen hatte. »Gut«, sagte sie. »Ich dachte mir, daß du es verstehen würdest.«
    »Ich habe es einmal ganz durchgelesen, und jetzt war ich gerade dabei, es mir noch einmal vorzunehmen«, erklärte Cordie. »Die Einzelheiten scheinen wichtig.«
    Eleanor nickte.
    »Und was hast du so den ganzen Tag gemacht, Nell? Ein kleines Tête-à-tête mit dem Kunstkurator?«
    »Das könnte man wohl so sagen.« Eleanor berichtete ihr von dem Besuch bei den kahuna. »Als wir zurückkamen, haben wir uns eine ganze Weile unterhalten. Es war nicht Pauls Idee, die alten Götter zu beschwören und das Tor nach Milu... ihrer Unterwelt... zu öffnen... aber als sein Großonkel es vorschlug, hat er mitgemacht. Er ist auch ein kahuna, wie sich herausgestellt hat, aber erst ein Novize.«
    »Das ist so was wie ein Priesterlehrling, stimmt’s?« sagte Cordie.
    »Stimmt.«
    »Nun, hast du ihm erzählt, daß deine Urururgroßtante miterlebt hat, wie seine Ururopas genau so eine Scheiße gebaut haben wie er und seine Onkel?«
    »Nein«, erwiderte Eleanor. »Aber er weiß, daß ich Zugang zu gewissen Quellen aus der Zeit habe... etwas über Mark Twain, das nie veröffentlicht wurde.«
    Cordie schnaubte verächtlich.
    »Wie steht’s mit dir?« fragte Eleanor. »Hattest du einen ruhigen Tag?«
    Cordie schmunzelte. »Ja. Bin vorhin mit einem Kajak raus in die Bucht gefahren. Bin ein bißchen geschwommen.«
    Als Eleanor sie erstaunt ansah, erzählte Cordie ihr die Geschichte. Sie sprach tonlos, ohne Regung. Als sie zu Ende war, versuchte Eleanor zu sprechen... schloß den Mund... schüttelte den Kopf... und setzte abermals an. »Ich denke, du hast Nanaue kennengelernt«, erklärte sie. »Den Haifischmann.«
    Wieder schmunzelte Cordie. »Vor dem Mann-Teil hatte ich keine Angst. Der Haifisch-Teil hat mir ein bißchen Sorge gemacht.« Sie hob das Tagebuch hoch. »Deine Tante Kidder hat nicht viel über Nanaue geschrieben. Weißt du irgendwas über ihn?«
    Eleanor kaute einen Moment lang geistesabwesend an ihrer Lippe. Schließlich sagte sie: »Nur, was die Legende erzählt.«
    »Ich weiß nicht, was die Legende erzählt, Nell«, erwiderte Cordie. »Ich weiß nur, daß irgendein Arschloch mit einem Buckel auf dem Rücken und Zähnen in dem Buckel kurz mal kräftig in mein Kajak gebissen hat. Ich würde gern mehr über ihn wissen.«
    Eleanor musterte ihre Freundin. »Du scheinst keine Probleme mit diesen Dingen zu haben, Cordie.«
    »Au contraire, mi amiga«, erwiderte die andere Frau. »Ich habe immer ein Problem damit, wenn mich irgendwas zum Mittagessen verspeisen will.«
    »Du weißt schon, was ich meine«, sagte Eleanor. »Ein Problem mit der... Unglaublichkeit des Ganzen. Wir sprechen hier über Dinge, die es unmöglich geben kann.«
    Cordies Lächeln erlosch. Sie blickte auf ihre schwieligen Hände. »Nun, Nell, ich denke, man könnte sagen, daß ich meinem eigenen kleinen mythologisierenden Universum nie ganz entwachsen bin. Als ich klein war, habe ich etwas erlebt, das mich irgendwie darauf vorbereitet hat... nun, ich vermute, es hat mich darauf vorbereitet, vor allem meinen eigenen Sinnen zu trauen und nicht viel auf das zu geben, was andere sagen oder denken. Irgend etwas im Wasser hat heute versucht, mich umzubringen. Ich möchte mehr darüber hören, was es war.«
    Eleanor

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