Die Feuerbraut
aufgeschossene Arzt keine übertriebenen Erwartungen wecken. Ein passables Aussehen glaubte er der jungen Frau verschaffen zu können, doch die frühere Schönheit würde ihr niemand zurückbringen.
Ehrentraud drehte ihr Gesicht zur Seite, da Lohners tastende Finger ihr zuwider waren, und wischte sich die Tränen aus den Augen. Wie kam ihr Onkel dazu, ihr einen solch groben Patron zu schicken? Da gefiel ihr der andere Arzt weitaus besser. Sie lächelte Portius freundlich zu und sah ihn bittend an.
»Ihr glaubt wirklich, es gibt eine Möglichkeit für mich, wieder so zu werden, wie ich vor dem Unglück war?«
Portius nickte so überzeugend, dass sie seine Hände ergriff und sie festhielt. »Tut es rasch! Ich will so bald wie möglich wieder in den Spiegel sehen können, ohne mich vor mir selbst zu grausen.«
Ihr schier übermächtiger Wunsch, ihre einstige Schönheit wiederzuerlangen, spielte Portius in die Hände. Doch ihre Ungeduld verriet ihm, dass sie ihm Schwierigkeiten machen würde, wenn es ihm nicht gelänge, Zeit zu gewinnen. Daher löste er seine Hände aus den ihren und hob sie zu einer abwehrenden Geste.
»So rasch, wie Ihr es Euch wünscht, wird es leider nicht gehen. Um Narben von solchem Ausmaß zu beseitigen, sind etliche Stufen der Behandlung vonnöten. Dazu muss ich mir einiges an Heilmitteln schicken lassen, und das kostet Zeit und vor allem viel Geld.«
»Mein Onkel wollte doch alles bezahlen!« Ehrentrauds Stimme klang schrill, und sie sah aus, als wollte sie im nächsten Augenblick um sich schlagen. Helene erkannte die Anzeichen eines Wutausbruchs und winkte Johanna nach vorne. Diese nahm Ehrentrauds Rechte und streichelte sie sanft. »Gewiss wird alles in Ordnung kommen, meine Liebe. Du musst nur Geduld haben und den Herren Doctores vertrauen.«
Lohner lag es nicht, mit Versprechungen zu arbeiten, und so wies er zum Fenster. »Wenn Ihr Euch andauernd in dieser düsteren Stube verkriecht, Fräulein Ehrentraud, ist es kein Wunder, dass Ihr Euch schlecht fühlt. Ihr müsst hinaus ins Freie, frische Luft atmen und die Sonne auf Eurem Gesicht spüren.«
»Die junge Dame ist doch keine Bauernmagd«, fuhr Portius ihm in die Parade.
Lohner winkte verächtlich ab. »Frische Luft hat noch niemand geschadet. Außerdem muss das Fräulein einmal etwas anderes sehen als nur ihre eigenen vier Wände. Hier wird sie gemütskrank!«
Irmela stimmte dem Arzt aus vollem Herzen zu und spürte gleichzeitig, dass sie sich diesen Ratschlag ebenfalls zu Herzen nehmen sollte. Sie hatte keine Aufgaben in diesem Haus zu erfüllen,und daher konnte sie sich Zeit für einen Spaziergang nehmen, wenn das Wetter es zuließ. Zwar durfte sie nicht allein herumstreifen, sondern benötigte eine Begleiterin, doch dafür reichte jede beliebige Magd. Sie dachte an Fanny. Dabei fiel ihr ein, dass sie mit den beiden Ärzten über die junge Frau sprechen wollte. Vielleicht waren sie bereit, der Magd zu helfen, um Ehrentraud zu beweisen, dass auch sie auf Heilung hoffen konnte.
Während Irmela ihren Gedanken nachhing, war es Helene gelungen, die beiden Ärzte aus dem Zimmer zu lotsen, damit Ehrentraud sich wieder beruhigen konnte. Die Verunstaltete blickte eine Weile mit starrem Gesicht ins Nichts, zeigte dann aber gebieterisch auf das Fenster. »Zieht den Vorhang zu! Das Licht blendet mich.«
Johanna sprang sofort auf und zerrte an den schweren, von der Decke bis zum Boden reichenden Vorhängen, die die kleinen Fenster verbargen. Irmela aber wiegte den Kopf. »Ich halte Doktor Lohners Rat für sehr klug. Du solltest wirklich das Haus verlassen und spazieren gehen.«
»Damit das dumpfe Landvolk mich anstarrt oder gar die Gaffer aus Passau hierherkommen, um mich wie eine Jahrmarktskreatur zu betrachten?« Ehrentrauds Stimme überschlug sich, und sie brach erneut in Tränen aus.
Johanna strich ihr tröstend über das Haar und schenkte Irmela einen verächtlichen Blick. »Du bist ein Trampel, wie er im Buche steht. Mach, dass du verschwindest!«
Irmela zuckte unter dem harschen Ton zusammen, drehte sich um und verließ das Zimmer. Ihrer Meinung nach wäre es für Ehrentraud besser gewesen, wenn man weniger Aufhebens um sie gemacht hätte. Aber wenn sie diesen Gedanken laut aussprach, würde sie wieder tagelang zu Zimmerarrest und schlechtem Essen verurteilt werden. Daher behielt sie ihre Überlegung für sich und kehrte in ihre Kammer zurück. Als sie ihr Fensteröffnete und in den sonnigen Tag hinausblickte, stand ihr
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