Die Feuerkämpferin 03 - Im Land der Elfen
liebte es, nachts auf zu sein. Dann arbeitete er seine Schlachtpläne aus, ersann neue Strategien. Die Stille der Nachtstunden kam seiner Konzentration zugute.
An Schlaf gönnte er sich nur wenige Stunden, ein wachsamer Halbschlaf, aus dem ihn das kleinste Geräusch hochfahren ließ. Allerdings hatte er sich auch viele Jahre auf den Krieg vorbereitet. Im Grunde seines Herzens war er immer davon überzeugt gewesen, eines
Tages tatsächlich in den Kampf ziehen zu können. Denn er war zum Soldaten geboren, und der Krieg lag ihm im Blut. Er hatte gewittert, dass er sich ankündigte und Tag für Tag näher rückte, hatte gesehen, wie er sich in den erschöpften Mienen seiner Mitbürger abzeichnete, hatte den Kriegsgesang vernommen, den Kryss in seinen Reden zunächst noch verhalten dann immer donnernder anstimmte. Und dann begann er. Ein gerechter, heiliger Eroberungskrieg. Und Gersh war bereit.
Er legte die Rüstung ab. Auch für ihn war es spät geworden. Über Schildknappen, die ihm dabei behilflich waren, verfügte er nicht. Er hielt diese Gewohnheit, die sich viele andere Kommandanten leisteten, für einen Luxus, der im Krieg nichts verloren hatte. Langsam zog er sich aus. Seine Glieder schmerzten, aber schließlich war er auch schon über fünfzig Jahre alt.
Als er sich zu seiner Pritsche umdrehte, erblickte er sie.
Durch nichts hatte sie sich verraten, hatte nicht das leiseste Geräusch gemacht, nicht das kleinste Rascheln. Wie aus dem Nichts, durch einen Zauber, schien sie aufgetaucht zu sein, eine Ausgeburt entsetzlichster Alpträume.
Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke. Gersh sah sie vor sich stehen, mit ihren langen, glatten Haaren, dem ovalen Jungmädchengesicht und den furchterregend schwarzen Augen. Sie war wirklich jung, blutjung, vielleicht gerade mal siebzehn Jahre. Und doch erkannte er sie.
»Nein … das ist doch nicht möglich …«, murmelte er bestürzt, während er seine Hand zu dem Dolch ausstreckte,
den er im Stiefelschaft verborgen hatte, die einzige Waffe, die er noch trug. Doch seine Finger erreichten sie nicht mehr. Eine einzige, weit ausholende Armbewegung, und wie ein roter Blütenkelch öffnete sich Gershs Kehle. Ohne einen Laut von sich zu geben, sank er zu Boden.
Das Mädchen wischte sich die blutbesudelte Klinge am Hosenbein ab, blickte sich um und sah die Lampe auf dem Tisch, auf dem die Karte ausgebreitet lag, vor der Gersh und der Offizier über die Lage beraten hatten. Es zerschlug die Lampe, und sofort ging das Papier in Flammen auf.
Kurz darauf hatte die Zeltwand Feuer gefangen.
Als der Erste »Feuer, Feuer!« rief, hatte es das Lager bereits wieder verlassen.
Im fahlen Licht des Sonnenaufgangs erwachte ein neuer, grauer Tag, als sie endlich ihre Unterkunft erreichte. Das Mädchen spürte, dass ihm nur noch wenig Zeit blieb. Es keuchte schon und seine Gelenke begannen zu schmerzen.
Verdammt, die Wirkung hält immer kürzer an , fluchte die Mörderin vor sich hin, während sie durch den Zelteingang schlüpfte. Jedes Mal, wenn sie sich wieder in ihr Lager zurückstahl, dachte sie, wie verrückt es war, dass sie sich nicht nur in das Feldlager des Feindes, sondern auch in ihr eigenes einschleichen musste.
Gerade noch rechtzeitig setzte sie sich auf ihre Pritsche. Heute nahm sie einen Spiegel zur Hand. Sie wollte dabei zusehen, ohne dass sie den Grund dafür hätte nennen können. Vielleicht um abschätzen zu können,
wie lange der Vorgang insgesamt dauerte. Vielleicht aus reiner Neugier, um Toris Wunder am Werk zu sehen, diesen Teufelspakt, auf den sie sich eingelassen hatte, als sie die Ampulle des Gnomen entgegengenommen hatte.
Der Spiegel zeigte noch das Gesicht eines jungen Mädchens. Das wollte sie sich nicht genauer anschauen, denn mit diesen glatten kindlichen Zügen waren zu viele schlimme Erinnerungen verbunden. An ihre verlorene Kindheit, an ihren Meister, und vor allem an den Mann, mit dem sie ihr ganzes Leben verbracht und der sich in dieses Gesicht rettungslos verliebt hatte.
Mit einem Mal überzogen Falten die pfirsichglatte Haut, ein Geflecht von Linien, das sich von den Augen bis zum Haaransatz und um den Mund herum ausbreitete. Ein Muster, das von verflossenen Zeiten kündete, zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, ein Schnörkel für jedes Lebensjahr. Ihr Blick trübte sich, so als hätten sich dort alle Gräuel abgelagert, die sie in siebzig Jahren hatte ansehen müssen, ihre Lippen schrumpften. Alles war rasend schnell gegangen, und schon
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