Die fiese Meerjungfrau
sie ab? Und was ist mit einem Kapitän, der einen Rock trägt?«
Hephyra grinste. Der besagte Rock flatterte wie das blauweiße Banner an der Spitze des Mastbaums; nur den schweren Quasten am Saum war es zu verdanken, dass ihre Oberschenkel bedeckt blieben. »Meine Einladung gilt übrigens noch.«
»Nein, danke.« Talia zog sich auf die Rah hoch. »Ich habe dir schon vor zwei Jahren gesagt -«
»Ja, ja. Du dienst Beatrice. So wie ich.« Hephyra rieb über die goldene Tätowierung an ihrem Handgelenk. »Und wenn Beatrice nicht überlebt? Was dann, Talia? Meine Mannschaft könnte eine Frau mit deinen Fähigkeiten gebrauchen.«
»Um was zu tun? Du kannst nicht zurück nach Elfstadt!«
Hephyra strich mit einer Hand über den Mast und streichelte das Holz. Die Geste war so sinnlich, dass Talia errötete. »Ich kann nicht zum Hain meiner Schwestern zurück, nein. Aber es gibt andere Wege, zurückzukehren. Ich kenne den Geruch deiner Magie und deinen Fluch, Talia; ich weiß, dass du ein paar Rechnungen mit den Elfen zu begleichen hast, genau wie ich. Sag mir, wann ist es zum letzten Mal vorgekommen, dass eine von der Silberflotte Piraten zum Opfer fiel?«
»Seit hundert Jahren nicht mehr.«
Hephyra zwinkerte. »Denk an deine Zukunft, Talia.«
»Meine Zukunft liegt bei Beatrice!«, erwiderte Talia mit Bestimmtheit.
»Für den Augenblick, mag sein.« Hephyra begann, den Mast hinunterzuklettern. Sie gab sich nicht mit den Tauen ab; ihre Verbindung mit ihrem Baum ermöglichte es ihr, wie ein Insekt am Holz zu hängen und sich mit größerer Leichtigkeit als selbst Talia zu bewegen. »Schnee wird deine Gefühle niemals erwidern!«
Talia umklammerte eins der Taue, um nicht herunterzufallen. »Was?«
»Bilde dir nie ein, du könntest deine Sehnsucht vor einer Dryade verheimlichen, liebe Talia.« Grüne Augen liebkosten Talias Haut. »Es könnte noch andere Vorteile haben, meiner Mannschaft beizutreten. Meine Art ist weitaus weniger ... wählerisch als ihr Menschen. Du brauchst nicht an sie gekettet zu bleiben.«
»Es sind meine Freunde.« Talias Hals war trocken. Verdammter Dryadenzauber auch!
»Vielleicht. Aber ich bin freundlicher.« Damit lachte Hephyra und sprang hinunter aufs Deck und ließ eine Talia zurück, die Worte brummte, die wenig schicklich für eine Dame waren, geschweige denn für eine Prinzessin.
*
Bis zur Mitte des zweiten Tages hatte Danielle mehr Tee getrunken als sonst in einer Woche. Die Phillipa war schnell, aber ihre geringe Größe machte sie anfälliger für den Seegang. Die letzte Nacht war eine der elendsten ihres Lebens gewesen, und das wollte etwas heißen. Gott sei Dank hatte Jakob ihr geholfen, sich an schlaflose Nächte zu gewöhnen.
Mit dem Frühstück war ihr wenig Erfolg beschieden, aber immerhin war es ihr bis jetzt gelungen, eine kleine Portion mit Zimt bedeckten Haferbrei unten zu behalten. Solange sie auf Deck blieb, wo sie den Horizont sehen konnte, war das Stampfen des Schiffes nicht ganz so schlimm. Sie legte eine Hand auf das Heft ihres Schwertes, während sie das Meer beobachtete; wie immer linderte die Berührung von Holz und Glas ihre Anspannung. Mit der anderen Hand versuchte sie, sich die widerborstigen Strähnen aus dem Haar zu kämmen. Nach Jakobs Geburt hatte sie es kürzer geschnitten, doch Wind und Regen hatten die schulterlangen Locken in ein wirres Durcheinander verwandelt.
»Unsere Fischvorräte sind auf weniger als ein halbes Fass zusammengeschrumpft«, teilte Schnee ihr aufgeräumt mit, während sie von hinten auf sie zukam. Sie hatte sich einen getragenen Dreispitz aus Leder zugelegt, den sie zweifellos auf charmante Weise einem Mannschaftsmitglied abgeschwatzt hatte.
Danielle stöhnte. »Was ist passiert?«
»Eins der Fässer ist irgendwann letzte Nacht über Bord gespült worden.« Schnee schrie überrascht auf, als ein schwarzes Fellbündel vorbeisprang, das etwas Lilafarbenes und Schleimiges in den Zähnen hielt. »Und es wird auch dadurch nicht besser, dass Stummel sich ständig was von dem schnappt, was noch übrig ist.«
Die dreibeinige Katze sprang auf eins der Deckgeschütze. Die Sonne hatte das Metall angewärmt, und Danielle konnte den Kater schnurren hören, während er auf seiner Eroberung herumkaute. Sie ging hinüber, um das dünne Fell hinter seinem Ohr zu kraulen, woraufhin der Stumpf seines Hinterbeins wie wild zu zucken anfing. »Wie lange noch, bis wir Morveren erreichen?«
»Lannadae war sich nicht sicher«, antwortete Schnee.
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