Die Flucht
Kleine«, sagt Francia und ihre Stimme wird wieder verdächtig sanft. »Ich nehme an, ihr wolltet mit uns hier unten in New World Kontakt aufnehmen, als ihr zu diesem Planeten kamt?«
»Ja«, bestätigt Viola. »Aber niemand antwortete.«
Hildy und Francia nicken einander zu. »Du darfst nicht vergessen, dass wir Siedler der Kirche sind«, sagt Francia. »Wir wollten viele weltliche Dinge hinter uns lassen, um unser eigenes kleines Utopia zu schaffen. Jede Art von Apparat oder Maschine haben wir dem Zerfall überlassen, denn es ging zuallererst ums Überleben.«
Violas Augen werden ein wenig größer. »Heißt das, es gibt keine Möglichkeit, von hieraus mit irgendjemandem Kontakt aufzunehmen?«
»Wir haben diese Möglichkeit ja nicht einmal von Ortschaftzu Ortschaft«, sagt Francia. »Und erst recht nicht darüber hinaus.«
»Wir sind Bauern, Mädchen«, sagt Hildy. »Einfache Bauern, die ein einfaches Leben anstreben. Einzig und allein aus diesem Grund haben wir damals die aberwitzig lange Reise hierher angetreten. Wir wollten alles abstreifen, was den Menschen in der alten Welt Unfrieden gebracht hat.« Sie trommelt mit den Fingern auf die Tischplatte. »Was nicht so ganz geklappt hat.«
»Mit anderen Siedlern haben wir nie gerechnet«, fährt Francia fort. »Nicht angesichts der Verhältnisse in der alten Welt.«
»Das bedeutet, ich sitze hier fest?«, fragt Viola und ihre Stimme zittert leicht.
»Bis dein Schiff hier ist«, sagt Hildy. »Ich fürchte, genauso ist es.«
»Wie weit draußen sind sie ?«, fragt Francia.
»Systemeintritt in vierundzwanzig Wochen«, sagt Viola ruhig. »Perihelabstand vier Wochen später. Orbittransfer zwei Wochen danach.«
»Tut mir leid, Kind«, sagt Francia. »Wie es aussieht, wirst du die nächsten sieben Monate hierbleiben müssen.«
Viola wendet sich ab, um diese Neuigkeit zu verdauen. In sieben Monaten kann viel passieren.
»Nun gut«, sagt Hildy betont munter. »Wie ich hörte, haben sie in Haven alle möglichen Sachen. Atomautos und breite Straßen und mehr Geschäfte, als man braucht. Vielleicht hast du dort mehr Glück, also gib die Hoffnung noch nicht auf.«
Hildy wirft ihrer Schwester einen bedeutungsvollen Blick zu, woraufhin Francia zu mir sagt: »Junge, was hältst dudavon, in der Scheune mitzuhelfen? Du bist doch ein Farmjunge, Todd, oder nicht?«
»Aber ...«, fange ich an.
»Arbeit gibt es auf einer Farm genug«, unterbricht mich Francia. »Aber das weißt du ja ...«
Vor sich hin plaudernd schiebt Francia mich durch die Hintertür. Ich werfe einen Blick über die Schulter und sehe, wie Hildy Viola mit sanften Worten tröstet, unhörbaren Worten, und wieder einmal werden Dinge gesagt, die ich nicht verstehe.
Francia macht die Tür hinter uns zu und führt mich und Manchee über die Hauptstraße zu einer der großen Lagerhallen, an denen wir zuvor vorbeigekommen sind. Mehrere Männer schieben Handkarren zum vorderen Tor und einer lädt die Körbe mit den Früchten aus dem Obstgarten ab.
»Das ist die Ostscheune«, sagt Francia. »Hier werden die Waren gelagert, die zum Verkauf bestimmt sind. Warte hier draußen.«
Ich warte und sie geht zu einem Mann, der Körbe von einem Karren lädt. Sie sprechen eine Minute lang miteinander und ich höre klar und deutlich Prentisstown? in seinem Lärm und auch die jähe Gefühlsaufwallung, die dieses Wort begleitet. Noch ehe ich sie richtig deuten kann, ist es auch schon vorbei und Francia kehrt zu mir zurück.
»Ivan sagt, du kannst hinten in der Scheune den Fußboden kehren.«
»Den Fußboden kehren?«, sage ich entrüstet. »Ich kenne mich mit Farmarbeit aus, Midim, und ich ...«
»Daran zweifle ich nicht, aber dir ist sicher nicht entgangen, dass Prentisstown nicht gerade unser beliebtester Nachbar ist.Es ist besser, du hältst dich ein wenig abseits, bis sich die Leute an dich gewöhnt haben. Einverstanden?«
Sie sieht immer noch streng aus, hält immer noch die Arme verschränkt, aber was sie sagt, klingt vernünftig, und auch wenn ihre Miene nicht wirklich freundlich scheint, so ist sie es in Wahrheit doch.
»Meinetwegen«, sage ich.
Francia nickt und führt mich zu Ivan, der etwa in Bens Alter ist, allerdings kleiner und dunkelhaarig. Seine Arme sind verdammt noch mal so dick wie Baumstämme.
»Ivan, das ist Todd«, sagt Francia.
Ich strecke die Hand zur Begrüßung aus, aber Ivan ergreift sie nicht. Er starrt mich nur mit wildem Blick an.
»Du arbeitest hinten«, sagt er. »Und sieh zu, dass
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