Die Formel der Macht
machte sie instinktiv einen Schritt nach vorn, aber sie ging sofort in die Knie und fiel zu Boden.
Ihre Entführer reagierten mit ihrer gewöhnlichen stummen Gleichgültigkeit, indem sie sie wieder hochzerrten und hinter sich herschleppten. Sie war so benommen, dass sie sich gar nicht erst die Mühe machte, entscheiden zu wollen, wohin man sie brachte, es war ihr einfach egal.
Endlich hörte sie verschiedene Geräusche, einschließlich eines leisen Surrens. Bis vor Kurzem noch wären ihr Geräusche höchst willkommen gewesen, aber jetzt nahm sie kaum Notiz davon. Obwohl die Bewegung sie zumindest ansatzweise aus ihrer Apathie geweckt hatte, konnte sie sich nicht konzentrieren, und sie hatte das Auf- und Zugleiten von Türen kaum registriert, als sich ihr auch schon der Magen umdrehte, sodass sie befürchtete, sich übergeben zu müssen. Da erst merkte sie, dass sie in einem Aufzug nach unten fuhren.
Aufzug.
Das Wort irrte erst ein paar Sekunden in ihrem Kopf herum, bevor es ihr gelang, den Gedanken festzuhalten, dass man, wenn sie sich in einem Aufzug befand, vorhatte, sie an einen anderen Ort zu bringen. Diese Erkenntnis versetzte sie vorübergehend in einen Alarmzustand. Mit allergrößter Anstrengung versuchte sie, sich aus ihrer Lethargie zu reißen und zwang sich zu höchster Konzentration. Wenn sie gerettet wurde – falls sie je gerettet werden sollte –, wollte sie dem FBI jeden Informationsschnipsel geben, der dazu beitragen konnte, diese gewissenlosen Dreckskerle, die sie entführt hatten, hinter Gitter zu bringen.
Jetzt hörte sie wieder das gleitende Geräusch. Das musste bedeuten, dass sich die Aufzugtüren geöffnet hatten. Ihr war nie klar gewesen, wie schwer es war, Geräusche zu identifizieren, wenn man nichts sehen konnte. Hände packten sie an der Taille und an den Ellbogen und zerrten sie aus dem Lift. Der Boden unter ihren Füßen fühlte sich hart an, er war nicht mehr durch Schaumstoffmatten abgefedert wie in ihrem Gefängnis. Und es war wärmer hier unten, weil es keine Klimaanlage gab, und sehr feucht. Hatte man sie womöglich in einen Keller gebracht?
Summer hörte, wie eine Autotür geöffnet wurde. Durch die Kapuze, die ihren Kopf bedeckte, sickerte der Geruch von Motorenöl und Benzin ein. Ein normaler Keller war es also nicht, aber vielleicht ein Parkhaus. Was sie in ihrem Verdacht bestärkte, dass man sie in einem Apartmenthaus gefangen gehalten hatte.
Tolle detektivische Leistung, höhnte sie in Gedanken. Die Tatsache, dass man sie in einem Apartmentkomplex versteckt hatte, engte die Suche nach ihrem Gefängnis auf etwa zwanzig Millionen Gebäude auf dem amerikanischen Festland ein. Das war eine Spur, mit der das FBI wirklich eine Menge anfangen konnte.
Schritte hallten auf dem Zementboden, und sie spürte bei den Personen, von denen sie umringt war, eine erhöhte Anspannung, was möglicherweise darauf hindeutete, dass die Person, deren Schritte sie soeben gehört hatte, nicht zu den Entführern gehörte. Summer holte Luft, um zu schreien, aber sofort legte sich eine Hand über ihren Mund, während gleichzeitig ein Auto ansprang. Ihr erstickter Schrei ging in dem Motorengeräusch unter. Hände ergriffen sie – wie sehr sie die Intimität dieser zupackenden Hände hasste! –, und dann wurde sie in einen engen Raum gestoßen. In einen Kofferraum? Oh Gott, hoffentlich nicht. Nach so viel Dunkelheit und Stille hatte sie einen Horror vor engen Räumen.
Mit der Kapuze vor Augen, gefesselt und umzingelt von ihren Entführern, war es ihr unmöglich, sich wirkungsvoll zur Wehr zu setzen. Sie ließ sich fallen und täuschte eine Ohnmacht vor, während sie hörte, wie die Autotüren um sie herum zugeknallt wurden. Es konnte nicht schaden, die Kidnapper glauben zu lassen, dass sie schwächer und hilfloser sei, als sie in Wirklichkeit war. Zumindest konnte sie so vielleicht wenigstens verhindern, dass man ihr wieder eine Betäubungsspritze gab.
Das Fahrzeug fuhr langsam an, dann beschleunigte es, bevor es scharf um eine Ecke bog und vermutlich aus der Tiefgarage fuhr. Da sie nichts sehen konnte, wusste sie auch nicht, wann sie sich abstützten musste, sodass sie hin- und hergeschleudert wurde, bis sie gegen etwas Solides prallte, das sich anfühlte, als wäre es mit denselben Schaumstoffmatten abgepolstert wie der Boden in ihrem Gefängnis.
Der Raum ist zu groß für einen Kofferraum, entschied Summer, während sie dagegen ankämpfte, dass ihr die Gedanken wieder entglitten. Lag sie
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