Die Formel der Macht
selbstverständlich. Anders würde ich in diesem Job gar nicht überleben.”
“Gut, dann möchten wir Sie freundlich bitten, dass Sie das, was wir Ihnen jetzt anvertrauen, mit Ihrer gewohnten Diskretion behandeln.”
“Ich werde mein Bestes tun.”
“Danke. Wir wissen Ihre Kooperationsbereitschaft zu schätzen.” Duncan sprach so salbungsvoll wie ein Leichenbestatter. “Die Wahrheit ist, Mr. Fitzgerald, dass Summer Shepherd eine reizende junge Dame ist – aber unglücklicherweise auch eine sehr kranke junge Dame. Sie ist gelegentlich verwirrt und kann offen gestanden nicht immer so genau zwischen Fantasie und Realität unterscheiden.”
“Oh. Ich verstehe. Versuchen Sie mir damit zu sagen, dass … nun, dass diese Entführung nur in ihrer Vorstellung stattgefunden hat?”
“Da wir nicht mehr mit ihr gesprochen haben, seit sie verschwunden ist, wissen wir es natürlich nicht sicher.” Duncan bewerkstelligte ein peinlich berührtes Lächeln. “Dazu muss man allerdings sagen, dass sie bei ihrem letzten Verschwinden geschworen hat, von Sklavenhändlern entführt worden zu sein, die sie an einen arabischen Prinzen für seinen Harem verkaufen wollten. In Wirklichkeit hat sie die Nacht allerdings auf einem Busbahnhof verbracht.”
“Merkwürdig, sie machte aber auf mich gar keinen verwirrten Eindruck”, wandte der Geschäftsführer ein.
“Das ist ja gerade das Problem”, schaltete sich jetzt Hubbard ein. “Je verrückter sie ist, desto überzeugender wirkt sie.”
“Weil sie die Geschichten, die sie erzählt, selbst glaubt”, fügte Duncan hinzu.
“Dann tut es mir leid für sie und für ihren Vater”, sagte der Geschäftsführer. “Ich weiß, wie das ist. Mein Cousin leidet an Schizophrenie, und wenn er seine Medikamente regelmäßig nimmt, kommt er prima zurecht. Dann geht er zur Arbeit, lebt unauffällig im Haus seiner Mutter und singt sogar im Kirchenchor mit. Aber zweimal hat er beschlossen, dass er geheilt ist und hat seine Medikamente abgesetzt. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie schnell es daraufhin mit ihm bergab ging. Er endete beide Male auf der Straße.”
“Mit Miss Shepherd ist es genauso”, sagte Duncan. “Wenn sie ihre Medikamente regelmäßig einnimmt und ruhig zu Hause bleibt, ist alles in Ordnung. Aber hin und wieder fängt sie an zu rebellieren, und dann ist offen gestanden der Teufel los. Sie läuft von zu Hause weg, und wir müssen sie im ganzen Land suchen, und wenn wir sie schließlich finden, saugt sie sich irgendwelche wilden Geschichten aus den Fingern, um ihre Abwesenheit zu erklären.”
“Die Ärmste. Es muss schrecklich sein, mit der Vorstellung durchs Leben zu gehen, dass einem die Hälfte der Menschheit feindlich gesinnt ist.” Der Geschäftsführer blieb vor einer Tür aus dunkler Eiche stehen. “Hier ist mein Vorzimmer. Miss Shepherd wartet schon auf Sie.”
“Nur eins noch, bevor wir reingehen, Mr. Fitzgerald.” Wes Perkins postierte sich vor der Tür. “Können wir uns, da Sie die Probleme mit Geistesgestörten aus eigener Erfahrung kennen, auf Ihre Diskretion verlassen? Es wäre wirklich mehr als peinlich, wenn das Gerücht in die Welt gesetzt würde, dass die Tochter des Außenministers entführt wurde. Vor allem der Presse sollte von diesem angeblichen Vorfall nichts zu Ohren kommen.”
Oh verdammt, dachte Duncan. Wes, jetzt hast du es versiebt.
Ganz wie erwartet horchte der Geschäftsführer auf und warf Duncan und Wes Perkins einen entschieden misstrauischen Blick zu. Am Ende beschloss er aber offenbar, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, egal was er von der Geschichte auch halten mochte. “Miss Shepherd hat nur mir und meiner Sekretärin etwas erzählt. Ich verbürge mich dafür, dass von uns niemand etwas erfährt.”
Duncan schüttelte dem Mann die Hand. “Vielen Dank”, sagte er inbrünstig. “Wir wissen Ihre Kooperationsbereitschaft zu schätzen. Ich bin mir sicher, Sie wissen, wie wichtig Ihre Diskretion ist.”
Der Geschäftsführer nickte. “Mein Büro ist gleich nebenan. Bitte lassen Sie es mich wissen, wenn Sie die Absicht haben, zu gehen. Aus Sicherheitsgründen müssen alle Nichtmitglieder zum Parkplatz begleitet werden.” Er öffnete die Tür. “Treten Sie ein, meine Herren. Ich bin sicher, dass Miss Shepherd erleichtert sein wird, Sie zu sehen.”
Duncan betrat das kleine Büro als Letzter. Summer stand mit dem Rücken zu ihnen an einem Fenster, das auf einen gepflegten Golfrasen mit blühenden
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