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Die Frau am Tor (German Edition)

Die Frau am Tor (German Edition)

Titel: Die Frau am Tor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Worthmann
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Stühle am Esstisch. Sie setzte sich ebenfalls, stand aber sofort wieder auf, verließ das Zimmer und kehrte mit einem Aschenbecher und Zigaretten zurück. Sie riss die Schachtel in der Mitte auf, als es ihr nicht im ersten Versuch gelang, eine herauszuschütteln.
    “ Entsetzlich, was ich heute schon geraucht habe. Ich muss erstmal kräftig lüften, bevor heute Abend mein Mann nach Hause kommt. Möchten Sie auch eine? Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Kaffee? Wasser? Saft? Oder möchten Sie etwas Alkoholisches?”
    Er lehnte alles ab.
    “ Beruhigen Sie sich, ganz ruhig”, sagte er wieder. “Was war das denn nun mit diesem Anrufer? Was hat er gesagt? Wann war es?”
    “ Vorhin, kurz bevor ich Sie angerufen habe. Es war ein Mann, und er hatte seine Stimme irgendwie verstellt. Es war...einfach schrecklich. Wenn ich nur daran denke, wird mir ganz übel.”
    “ Aber was hat er denn nun gesagt?”
    “ Er hat mich....er hat mich”, ihre Stimme sank in eine mädchenhafte Hilflosigkeit hinab, “er hat mich als Schlampe bezeichnet. Wörtlich sagte er: 'Du Schlampe, glaub bloß nicht, ich wüsste nicht Bescheid über dich' – und dann hatte er auch schon aufgelegt.”
    “ Und was schließen Sie daraus? Ich meine, wer könnte das denn Ihrer Ansicht nach gewesen sein?”, fragte er, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte.
    “ Wenn ich das wüsste! Ich weiß es doch nicht. Ich weiß nur, dass es mir Angst gemacht hat....dass es mir schreckliche Angst macht.”
    “ Ach, das muss doch überhaupt nichts bedeuten. Was glauben Sie, wie viele solche Spinner es gibt, die so etwas machen. Vergessen Sie's einfach”, sagte er und hoffte, dass es überzeugend klang.
    Sie fingerte nach einer neuen Zigarette und er bat sie, ihm auch eine zu geben. Nur diese eine noch. Sie wollte aufstehen, um ihm die Schachtel zu reichen und Feuer zu geben, doch er kam ihr zuvor, ging zu ihr hin, beugte sich zu ihr hinab.
    Ihre Hände berührten sich, sie hielt seine für einen Wimpernschlag fest und atmete dabei tief durch.
    “ Besser jetzt?”, fragte er, als er wieder saß und den Rauch tief einsog.
    “ Ein bisschen, aber es hatte so etwas schrecklich Drohendes, verstehen Sie?”
    Er nickte, und obschon ihm allerlei durch den Kopf ging, nichts Konkretes, nur schemenhafte Fetzen von Gedanken, machte er eine wegwerfende Handbewegung.
    “ Aber genau darauf sind solche Typen doch nur aus. Sie delektieren sich daran, andere in Angst und Schrecken zu versetzen.”
    Doch so leicht ließ sie sich nicht beschwichtigen.
    “ Und wenn es nun doch jemand war, der irgendetwas weiß, der irgendetwas mitbekommen hat? Ich meine, sie haben ihn doch schon gefunden. Das war übrigens ganz, ganz furchtbar, als ich das in der Zeitung gelesen habe, am Samstag. Es war am Frühstückstisch und mein Mann war dabei. Ich weiß bis jetzt nicht, wie ich es fertig gebracht habe, mir nichts anmerken zu lassen.”
    “ Aber wie denn? Wer sollte denn etwas wissen?”, fragte er zurück. “Nein, wirklich, hören Sie auf, sich deswegen verrückt zu machen. Es lohnt nicht. Sie werden sehen, gar nichts wird passieren.”
    “ Und wenn er noch einmal anruft?”
    “ Dann legen Sie einfach sofort auf.”
    Er merkte, dass ihm auf unwohle Weise warm geworden war und entschuldigte sich, er müsse sich mal kurz ein wenig frischmachen. Sie sagte, er wisse ja Bescheid und warf ihm einen Blick zu, aus dem er eine leise Anspielung heraus las. Im Gäste-WC klatschte er sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht, fuhr sich über den Kopf und trocknete sich mit dem kleinen rosa Handtuch ab. Es duftete leicht. Er musste an seine Putzarbeiten denken, an den Geruch des Laubes, mit dem er den Leichnam bedeckt hatte, an die Beseitigung der zerschnipselten Karten und der Brieftasche. Er versuchte sich einzureden, dass der Telefonanruf tatsächlich so harmlos war, wie er es ihr einzureden versuchte – und konstatierte beunruhigt, dass ihm das nicht so ohne weiteres gelang. Wie konnte er sicher sein, dass tatsächlich niemand etwas wusste oder zumindest vermutete?
    Zurück im Zimmer, brachte er die Sprache auf die Bilder, um sie und sich selbst abzulenken von all dem, was unausgesprochen mit ihnen im Raum war.
    “ Die sind von mir”, erklärte sie ihm mit einer Mischung aus Stolz und Scheu. “Ich habe ein paar Semester Kunst studiert, und seither male ich immer noch hin und wieder ein bisschen.”
    “ Sie sind schön, sie gefallen mir”, sagte er und beobachtete, wie eine schwache Röte

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