Die Frau an Seiner Seite
deren private Probleme zu zeigen. Dabei beließ sie es nie nur bei geduldigem Zuhören, sondern zeigte auch Lösungsmöglichkeiten auf.
Einen weiteren Personalwechsel im Kanzlerbungalow gab es im März 1988. Neben Helma Pirwitz, die über zwanzig Jahre für Helmut Kohls Vorgänger und deren Familien als Hauswirtschafterin gearbeitet hatte und auch in den Diensten des neuen Kanzlers verblieb, musste eine zweite Kraft eingestellt werden. Hannelore hatte eine Frau im Blick, die schon mehrfach bei größeren Veranstaltungen ausgeholfen hatte. Wenn ein renommierter Bonner Partyservice für das leibliche Wohl größerer Gesellschaften beauftragt wurde, war sie da. Hannelore entschied sich für Edeltraud Otto, 1941 in Greifswald geboren und 1950 mit ihren Eltern aus der DDR in den Westen übergesiedelt. Nachdem die Sicherheitsüberprüfung nach vier Wochen ohne Einwände abgeschlossen worden war, trat die ausgebildete Hotelfachfrau ihren neuen Job an. Ihre wesentliche Aufgabe als Wirtschafterin bestand in der Bewirtung der Gäste im Bungalow. Für die Bestückung der privaten Küche der Kohls bekam sie Wirtschaftsgeld, über das sie genau Buch führte, ohne je von Hannelore überprüft worden zu sein. Sie vertraute ihrer Wirtschafterin blind und überließ ihr Freiräume für selbstständiges Handeln. Edeltraut Otto, eine sympathische, gestandene und mit allen beruflichen Herausforderungen vertraute Spitzenkraft, gehörte zu den Bonner Wirtschafterinnen, die auch im Privathaus der Kohls in Ludwigshafen eingesetzt wurden. Wenn die Bushs, die Mitterrands, die Gorbatschows oder die Jelzins Gäste in Kohls Privathaus waren, wurde das Mehrgangmenü vom »Deidesheimer Hof« geliefert, zubereitet vom dortigen Koch Manfred Schwarz. Den Service im Haus übernahmen Edeltraud Otto und Hilde Seeber. Das waren Highlights im Leben der beiden Frauen, von denen sie heute noch schwärmen.
Nach einem kurzen Zwischenspiel des Frühauf-Nachfolgers kam es 1990 zu einem erneuten Wechsel in der Kanzlerküche. Werner Sowa hatte sein Handwerk im angesehenen Bonner »Rheinhotel Dreesen« erlernt und seine Bundeswehrzeit als Koch in der Küche des Bonner Wachbataillons verbracht. Nach einigen Wanderjahren in renommierten Häusern des Rheinlandes trat er in den Dienst des Landes Baden-Württemberg. In dessen »Bonner Botschaft« kochte er unter anderem für den damaligen Ministerpräsidenten Lothar Späth. Doch die Arbeit im öffentlichen Dienst behagte ihm nicht sonderlich. Als dann der Anruf aus dem Bundeskanzleramt kam, sich einem engen Kohl-Mitarbeiter vorzustellen, zögerte er keinen Moment. Im Mai 1990 trat er seinen neuen Job an und war von nun an Herrscher über drei Küchen: Die eine war im Kanzleramt nur für den Kanzler, die zweite Küche im Bungalow und eine dritte im Palais Schaumburg, dem alten Bundeskanzleramt. Seine direkte Ansprechpartnerin war die Chefin des Kanzlerbüros Juliane Weber. Werner Sowa liebte die Küche im Bungalow, in der er für mindestens ein Dutzend Personen Essen zubereiten konnte. Da er alleine für alles verantwortlich war, gehörten Überstunden zur Tagesordnung, zumal er in Ermangelung eines Kühlhauses alles frisch zubereiten musste. Hannelore hatte viel Verständnis für die hohe Arbeitsbelastung, verweilte gerne auf eine Zigarettenlänge in der Küche und hörte sich geduldig an, wie der Kanzler-Koch seine Arbeitswelt sah und bewertete. Sowas Urlaub richtete sich nach den Ferien der Kohl-Familie. An den Wochenenden hatte der Leibkoch wenig zu tun, weil die Eheleute Kohl nach Ludwigshafen fuhren. Er blieb bis zum Ende von Kohls Kanzlerschaft. Sein Stolz, fast neun Jahre für den Kanzler der Einheit und seine Frau und deren Gäste gekocht zu haben, ist ungebrochen. Sowa weiß viele Geschichten über Prominente und Nicht-Prominente zu erzählen. Die erste Liga der prominenten Politiker war ihm weit angenehmer als jene Bonner Wichtigtuer aus der Ministerialbürokratie bis zu den Staatssekretären, die ihre Überheblichkeit gerne zeigten. Der Rheinländer des Jahrgangs 1963 fand zu Hannelore Kohl einen guten Draht und hat sie in bester Erinnerung. Was er ganz besonders an der Kanzlergattin schätzte, war ihre Bereitschaft, auch mit Angestellten unaufgeregt zu diskutieren. Manches Vieraugengespräch – sie mit einer Mentholzigarette in der rechten und einem Glas Sekt in der linken Hand – ist ihm unvergessen.
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Es mag Zufall sein, dass beide Leibköche des Kanzlers ihr Handwerk bei der Bundeswehr
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