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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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der Vorsitzende der Geschäftsführung war, ablehnte. Die anderen fünf Mitglieder waren Arthur, Harold, Harolds Bruder, dessen Sohn und der Ehemann von Harolds Schwester. Ihr Votum war geteilt, wobei Harold auf Johns Seite stand. Letztlich hing alles von Arthurs Entscheidung ab, der nach einigem Hin und Her für Johns Beschluss und gegen Charlie stimmte. Charlie ließ Arthur und Harold außen vor und konzentrierte seine gesamte Wut auf John, und im November des Vorjahres hatten wir alle ein sehr spannungsgeladenes Thanksgiving erlebt, bei dem Priscilla John und Charlie so weit wie möglich voneinander entfernt platziert hatte. Seither schien sich ihr Verhältnis allmählich wieder zu bessern – immerhin sahen sie einander ja jeden Tag bei der Arbeit –, doch zu Hause fluchte Charlie noch immer wutschäumend über Johns bodenlose Ignoranz, wie er es nannte, denn es kränkte ihn besonders, dass sein Bruder noch nicht einmal Betriebswirtschaft studiert hatte. Seine Ausfälle gaben mir ein anschauliches Beispiel davon, dass es zwar inakzeptabel war, wenn irgendjemand von außerhalb einen Blackwell kritisierte, doch wenn ein Familienmitglied dasselbe tat, war dagegen nichts einzuwenden. Ich hatte mich darum bemüht, meine Beziehung zu Johns Ehefrau Nan nicht darunter leiden zu lassen, indem ich sie öfter als sonst zum Essen einlud oder vorschlug, zusammen zu den Junior-League-Treffen zu fahren. Ella ahnte ohnehin nicht, dass ihr Vater und ihr Onkel stritten, und bewunderte ihre beiden Cousinen rückhaltlos: Liza, die mir bei meinem ersten Besuch in Halcyon das Fadenspiel beigebracht hatte, war mittlerweile zwanzig und stand kurz davor, ihr vorletztes Studienjahr in Princeton abzuschließen, und Margaret mit ihren siebzehn Jahren würde sich im kommenden Herbst dort einschreiben.
    Charlie war dagegen immer seltener bereit, an Familientreffen teilzunehmen, geschweige denn selbst welche zu initiieren, und war nur dann mit einiger Sicherheit bei einem Brunch oder Abendessen dabei, wenn seine Eltern in Milwaukeewaren – was kaum häufiger als alle sechs Wochen vorkam. Im April, vor einem Monat, hatten John und Nan bei einem Benefizessen für das Kunstmuseum einen Tisch für acht Personen gebucht und uns eingeladen, mitzukommen, und Charlie hatte in letzter Minute beschlossen, nicht hinzugehen. Das war an einem Samstagabend – er hatte während eines Baseballspiels, das er in unserem Fernsehzimmer verfolgt hatte, heftig getrunken, und als er sah, dass ich seinen Smoking für ihn an die Schlafzimmertür gehängt hatte, sagte er: »Den Teufel werd ich tun, dieses Affenkostüm anzuziehen.«
    »Charlie, der Smoking ist Pflicht«, sagte ich, und er antwortete: »So ein Scheißpech aber auch. Ich werde genau das tragen, was ich jetzt anhabe, oder du kannst ohne mich gehen.« Im ersten Moment hatte ich noch gedacht, er wollte mich nur aufziehen, aber er blieb bei seiner Weigerung, sich vor dem Abendessen umzuziehen, was praktisch der Weigerung gleichkam, überhaupt hinzugehen. Als ich ihn fragte, was ich John und Nan sagen sollte – ich wusste, dass sie für jedes Gedeck hundert Dollar bezahlt hatten –, zuckte er nur mit den Schultern: »Sag ihnen die Wahrheit.« Stattdessen behauptete ich, ein Mageninfekt hätte ihn ans Bett gefesselt. Als ich nach dem Essen zurückkam, sah er immer noch fern; es lief irgendein Krimi. Er lächelte schief und sagte: »Und, wirst du deinem nichtsnutzigen Ehemann verzeihen?« Weil es die Sache nicht wert war, verzieh ich ihm, aber am Montag darauf bestellte ich Broschüren von zwei Betreuungseinrichtungen für Alkoholiker, eine vor Ort und eine in Chicago. Als ich sie Charlie zeigte, fuhr er mich an: »Weil ich mich am Samstag nicht umziehen wollte? Soll das ein Witz sein? Lindy, jetzt bleib mal auf dem Teppich.«
    Irgendwann im Laufe des Frühjahrs war zu den Problemen mit seinen Brüdern noch ein neuer Quell des Unmuts hinzugekommen: Das zwanzigste Jahrgangstreffen in Princeton, das Anfang Juni stattfinden sollte. Im Vorfeld dieses Ereignisses hatte er per Post ein in Leder gebundenes Buch bekommen, in dem die Alumni der Universität über ihre berufliche und private Entwicklung berichteten. Charlie hatte begonnen, abendsvor dem Einschlafen laut daraus vorzulesen, wobei sein Tonfall zwischen Hohn und schierem Unglauben wechselte. »›Mein Einstieg bei Ellis, Hoblitz & Carson war ein Ereignis, mit dem es nur das unbeschreibliche Glück aufnehmen kann, bei Sonnenaufgang am Haleakala auf Maui

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