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Die Frau des Praesidenten - Roman

Die Frau des Praesidenten - Roman

Titel: Die Frau des Praesidenten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Curtis Sittenfeld
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ihm in Gesellschaft seiner Brüder, besonders Arthurs, schwerer fallen würde, nicht zu trinken. Einmal, ungefähr einen Monat nach meiner Rückkehr aus Riley, wachte ich nach Mitternacht auf und bemerkte, dass Charlie nicht neben mir lag, obwohl wir zwei Stunden zuvor beide zusammen schlafen gegangen waren. Ich glaubte im Erdgeschoss jemanden reden zu hören und schlich durch den Flur bis zur Treppe. Tatsächlich hörte ich Stimmen im Fernsehzimmer, die etwas zu rezitieren schienen. Erst als ich am Fuß der Treppe stand, konnte ich sie verstehen und zuordnen, auch wenn ich mich davor zurückhielt, das Zimmer zu betreten. Durch die offene Tür sah ich Charlie und den fleischigen, rosigen Reverend Randy Hand in Hand nebeneinander auf dem Boden knien. Sie hielten die Augen geschlossen, Charlie weinte, und sie wiederholten immer wieder und wieder ein Bußgebet. Ich zog mich leise zurück.
    Er erzählte mir am nächsten Morgen, dass er versucht gewesen war, ein Glas Whiskey zu trinken, und die Versuchungsei so groß gewesen, dass er nicht hatte einschlafen können. Er hatte Reverend Randy angerufen, weil er diese Gelüste verstand, sie hatten gemeinsam gebetet, und er hatte widerstanden. Satan war von ihm gewichen, um sein Werk anderswo zu verrichten. Diese nächtlichen Besuche Reverend Randys wiederholten sich noch einige Male, aber nach dem ersten Erlebnis stand ich nicht mehr auf, um zuzusehen. Ich muss zugeben, dass es mir unangenehm war, was ich in jener Nacht im Fernsehzimmer sah. Mich störte weniger der Reverend als Person, sondern vielmehr das Gebet, diese Inbrunst, die ich nie würde nachempfinden können. Charlie hatte sich von mir entfernt, er hatte sich in eine Sphäre begeben, in die ich ihm nicht folgen konnte.
    Trotz all meiner Vorbehalte gegenüber der institutionalisierten Religion glaube ich nicht, dass er ohne sie vom Alkohol losgekommen wäre. Sie ermöglichte es ihm, sein Verhalten zu strukturieren und es sich zu erklären, sowohl was er getan hatte, als auch was er jetzt anders machte. Vielleicht hat die Literatur für mich Ähnliches geleistet – was ist ein Handlungsstrang anderes als eine Möglichkeit, unzusammenhängende Ereignisse zu ordnen? –, und vielleicht ist die eifrige Lektüre schon immer meine Form der Einkehr gewesen.
    Erst viele Jahre später, vor kurzem erst, habe ich erfahren, wie Miss Ruby es geschafft hatte, Charlie und Reverend Randy miteinander bekannt zu machen. Sie hatte in den Gelben Seiten unter »Kirchen« nachgeschlagen. Da sie selbst eine gläubige Kirchgängerin in der Lord’s Baptist Church in Harambee war, spürte sie, dass Charlie von geistlichem Zuspruch profitieren würde. Sie hatte Reverend Randy angerufen und ihn gebeten, einen Hausbesuch zu machen. Jessica Sutton war es, die mir diese Geschichte erzählte, und ich fragte: »Aber warum hat sie nicht ihren eigenen Pfarrer gebeten, mit Charlie zu reden?«
    Jessica ist inzwischen einunddreißig Jahre alt, eine hochgewachsene, selbstsichere, blitzgescheite junge Frau mit Abschlüssen aus Yale und der Kennedy School in Harvard, und sie ist meine Stabschefin. Während Charlies erster Amtszeitim Weißen Haus war sie meine Vizestabschefin, und als zu Beginn der zweiten Amtszeit ihr Vorgänger seinen Posten verließ, habe ich sie befördert. Ich bin mir fast sicher, dass auch Jessica eine Demokratin ist, aber es gibt bestimmte Themen, die wir nie ansprechen. Sie lachte über meine Frage, und obwohl ihre Antwort vernichtend ausfiel, blieb ihr Tonfall freundlich, als wollte sie mich nur aufziehen. Sie sagte: »Grandma dachte, er würde nie auf einen Schwarzen hören.«

TEIL 4
1600 Pennsylvania Avenue
    Heute klingelt, wie jeden Morgen, seit wir in Washington leben, um viertel vor sechs das Telefon auf Charlies Nachttisch. Er nimmt ab, steht auf, geht in sein Badezimmer (das bekomme ich im Halbschlaf verschwommen mit), und dann öffnet er die Tür von unserem Schlafzimmer zum Flur, wo ein Hausangestellter darauf wartet, ihm die Zeitungen zu überreichen. Es ist fast wie im Hotel, nur dass man hier nicht nur die Zeitungen selbst, sondern auch noch einen Menschen dazu bekommt – der Präsident der Vereinigten Staaten soll sich ja um Himmels willen nicht bücken müssen.
    Charlie trägt sie zu mir herüber: Die
New York Times
, die
Washington Post
, das
Wall Street Journal
. Er pfeift vor sich hin, während er das Bett umrundet – die Melodie von »Zip-a-Dee-Doo-Dah« –, und als ich mich aufstütze, sehe ich, dass er

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