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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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vollkommen durchnässt. In seiner Wut hatte er vollkommen vergessen, einen Knecht mitzunehmen, der ihm den Weg leuchtete. So stapfte er durch die nur noch schemenhaft anmutenden Straßen und hing seinen düsteren Gedanken nach.
    Warum nur entglitt ihm mehr und mehr die Kontrolle über sein eigenes Leben? Zuerst beschlossen die Mitglieder des alten Rates, Albert bei seiner Rückkehr in den Kreis der Electi zu wählen, dann stellte sich das gleiche Pack von Ratsherren öffentlich gegen ihn und verhinderte somit die geschickt eingefädelte Eheschließung zwischen Ragnhild und Symon von Alevelde. Und als wäre das alles noch nicht genug, entscheidet auch noch dieser schmierige Pfaffe Sifridus im Sinne des Rates.
    Binnen drei Tagen sollte ein berittener Bote in Begleitung eines Sprachkundigen nach Rüstringen aufbrechen. Doch nicht genug, dass Conrad dieser Forderung überhaupt Folge leisten musste; der Domdekan hatte die Auflage sogar noch verstärkt. Der Bote sollte aus vertrauenswürdigem Hause stammen, sodass kein Zweifel an seiner Loyalität entstünde, und er sollte von einem Sprachkundigen begleitet werden. Zwischen den beiden entsendeten Männern durfte es keine Verwandtschaft geben, und egal, wie das Ergebnis ihrer Reise ausfiel, es durfte ihnen kein Nach- oder Vorteil daraus entstehen. Sollten die beiden Männer keine Hinweise auf Alberts Verbleib finden oder nach einer Frist von drei Monaten nicht zurückgekehrt sein, so galt die Dame Ragnhild offiziell als Witwe, und Conrad würde die Muntwaltschaft wieder übertragen bekommen. Doch bis dahin galt sie als verheiratete Frau und durfte nicht neu vermählt werden. Conrad, als ihr nächster männlicher Verwandter, hatte auf die übliche Weise für sie zu sorgen und ihr in seinem Hause Obdach zu gewähren. Ebenso musste er für das Wohl ihrer Kinder aufkommen, und auch die Kosten der gesamten Reise fielen zulasten seiner Geldbörse.
    Nachdem Conrad gegen diese Forderung aufbegehren wollte, ließ der Domdekan ihn unmissverständlich verstehen, dass es bereits ein Zugeständnis sei, die Frist auf nur drei Monate anzusetzen. Bertram Esich war einverstanden, und somit galt es als beschlossen.
    Conrad war ernüchtert. Nicht genug damit, dass er dieses Weib noch länger ertragen und durchfüttern musste, nun hatte er auch noch zwei Männer zu bezahlen, die eine unmögliche Aufgabe erledigen sollen. Er könnte seine Münzen auch ebenso in das Nikolaifleet werfen, dachte er erbost. Nur gut, dass derzeit die kalten und geschäftsärmeren Wintermonate herrschten und er so Zeit für diese Sache aufwenden konnte, ohne dass sein Tuchhandel darunter litt. Was hingegen jedoch sehr litt, war sein Stolz. Früher einmal hatte er etliche Vorteile genossen, da er einer so angesehenen und erfolgreichen Kaufmanns- und Ratsfamilie angehörte. Doch die Blicke der Menschen um ihn herum hatten sich verändert. Nur Niedrigergestellte begegneten ihm nach wie vor mit großem Respekt, doch dies war in Anbetracht der drohenden Strafen für fehlbares Verhalten gegenüber einem Bürger und Ratsherrn nicht verwunderlich. Diejenigen, die sich mit ihm aber auf Augenhöhe befanden oder gar über ihm standen, machten keinen Hehl mehr aus ihrer schlechten Meinung über ihn. Man konnte es nicht leugnen; sein Stern war am Sinken.
    Die heutige Ratssitzung stellte die Krönung dieser Kränkungen dar. Wie ein Stachel im Fleisch war die Erinnerung daran, und Conrad sehnte sich nach Zerstreuung. Obwohl es viele Dinge gab, über die er nachsinnen konnte, schlugen seine Gedanken wie von selbst immer wieder einen Bogen zu der Ratssitzung und insbesondere zu einer bestimmten Person; seinem Schwager Johannes vom Berge.
    Nie zuvor hatte sich sein einflussreicher, aber eher unscheinbarer Schwager derart massiv gegen ihn ausgesprochen. Warum heute? Was hatte sich da im Rathaus abgespielt? Warum kam er nicht dahinter? Was zum Teufel trieb Johannes dazu, sich so vehement für diese schwachsinnige Reise auszusprechen? Auch wenn Conrad angesichts des Verrats aus der eigenen Verwandtschaft wohl in erster Linie hätte verletzt sein müssen, überwog für ihn dennoch die Frage, welchen Vorteil sich Johannes durch das Befürworten der Forderung erhoffte. Doch sosehr Conrad sich auch anstrengte, er konnte zunächst absolut keinen Mehrwert für seinen Schwager entdecken. Er war jedoch schlau genug, um sich selbst zu ermahnen, vorerst vor Johannes auf der Hut zu sein. Solange er nicht wusste, ob er etwas im Schilde führte,

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