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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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angespült wurden, nach Albert zu suchen«, begann sie ihre Erklärung, »doch eigentlich war mein Muntwalt von vorneherein gegen das Aussenden eines Boten. Er wurde nur durch den Beschluss des Rates und des Domdekans dazu gezwungen.« Sie erklärte den beiden, dass es absolut undenkbar war, Conrad von den neuen Erkenntnissen zu erzählen. Ihr selbst würdeer niemals Glauben schenken, weil er sie verachtete. Viel wahrscheinlicher wäre es, dass er ihr unterstellte, sie hätte sich diese Geschichte zusammengereimt, um Zeit zu schinden und so der neuen Hochzeit mit Symon von Alevelde zu entgehen. Sie konnte nur abwarten, bis die Boten zurück waren, und hoffen, dass sie frohe Kunde brachten.
    Als Ragnhild die fragenden Gesichter Heynos und Ghesas sah, wurde ihr klar, dass sie von vorn beginnen musste.
    Geduldig fing sie an, den beiden die ganze Geschichte ihrer Ehe zu erzählen, damit sie die Zusammenhänge verstanden. Keine Wahrheit ließ sie aus. Weder die Vereinbarungen im Testament des Schwiegervaters noch den Verdacht, dass es Conrad eigentlich ganz gelegen kommen müsste, wenn sein verhasster Bruder tot wäre. Ragnhild gestand ihre Befürchtung, dass diese vielleicht letzte Gelegenheit, ihren Gemahl als Überlebenden zu finden, nicht richtig genutzt wurde.
    Sie wusste nicht, warum, aber es herrschte plötzlich eine unbeschreibliche Verbundenheit zwischen ihnen dreien. Ragnhild schüttete dem eigentlich fremden Ehepaar ihr Herz aus, und ihre Zuhörer schwiegen still, bis sie geendet hatte. Diese unerwartet ehrliche Anteilnahme an ihrem konfusen Schicksal legte sich wie eine heilende Salbe über Ragnhilds Seele. Beide schienen redlich daran interessiert zu sein, ihr zu helfen. Fast wie aus einem Mund fragten sie: »Was wollt Ihr nun tun?«
    »Wie es scheint, gibt es leider momentan nichts, was ich tun kann. Mir bleiben noch drei Monate Zeit, dann kommen die Boten spätestens zurück, und ich habe endlich Gewissheit. Ich kann nur hoffen, dass sie Albert finden …« Gerade als Ragnhild noch etwas hinzufügen wollte, fiel ihr Heyno abermals ins Wort.
    »Das ist es! Wohin sagtet Ihr, hat Euer Vormund die Boten geschickt? Nach Langwarden in Butjadingen zu den Wrackteilen? Ja, aber ich bin doch an einer ganz anderen Stelle gestrandet – an den Ufern nahe Aldessen! Niemand hat mich bisher danach gefragt, anscheinend ist ein jeder davon ausgegangen, dass ich in Langwarden an die Küste gespült wurde.« Vor lauter Aufregung stand der Smutje auf und riss fast seinen Becher mit sich. Gerade eben noch konnte ihn seine Frau auffangen, die erstaunlich schnell reagierte. »Wenn Ihr meint, dass Euer Muntwalt Euch kein Gehör schenkt oder die Suche nach Eurem Gemahl nicht gründlich genug getan wird, dann müsst Ihr einfach Euren eigenen Boten ausschicken – und zwar nicht in den Norden Rüstringens, sondern westlich von Langwarden nach Aldessen – dort, wo ich auch die Schleifspuren gefunden habe. So besteht eine doppelt so hohe Aussicht auf Erfolg.« Heyno war sichtlich zufrieden mit sich und schaute die Frauen erwartungsvoll an.
    Ragnhild musste einen ersten Impuls niederkämpfen, sich gegen den Vorschlag dieser unerhörten Eigeninitiative zu stellen. Eine Frau hatte sich schließlich den Männern ihrer Familie unterzuordnen. So war sie erzogen worden. Doch es war etwas mit ihr geschehen, gestern in der Küche. Sie hatte eine solche Stärke in sich verspürt und wollte sich ihrem Schicksal nun nicht mehr kampflos ergeben. Dieser Wille war noch immer da, und er formte ihre Antwort. »Ein eigener Bote. Ihr habt recht, ich muss es wagen. Könnt Ihr einen vertrauenswürdigen Mann auftreiben, Heyno?«
    Der goldene Ring, der sie seit der Hochzeit für immer mit Albert verbinden sollte, glitt sanft von Ragnhilds Finger und tanzte klimpernd in dem leeren Becher, bis er in der Mitte zum Erliegen kam. Nun sollte genau dieser Ring sie wieder zusammenführen!
    Das Donnern zweier Fäuste gegen die schwere Holztür des Kaufmannshauses weckte binnen weniger Augenblicke alle Bewohner.
    Marga hatte den kürzesten Weg von ihrer Bettstatt aus zur Tür und kam als Erste dort an. Gerade als sie öffnen wollte, flog Conrad förmlich die Stufen der Treppe hinunter. Sein wütender Gesichtsausdruck und seine wedelnden Handbewegungen ließen Marga zurückspringen. Er riss die Tür auf, um dem Pochen endlich ein Ende zu machen. Vor ihm stand Symon von Alevelde.
    Mit einer gespielt eleganten Verbeugung erzeugte er einen fassungslosen Ausdruck in

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