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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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nicht daran, sie ihm wieder auszuhändigen, und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Das war zu viel; Thiderich packte den Fremden an seinem muskulösen Arm und drehte ihn grob herum. Vollkommen unüberlegt stieß er ihn wütend gegen die Brust, doch der kräftige Mann blieb stehen wie ein Baum. Sein böser Blick allein hätte wohl fast dazu gereicht, um Thiderich niederzustrecken, doch nun sprang auch der andere Prahmführer, laut schimpfend und unter dem Gejohle der Fahrgäste, vom Boot und schnellte auf Thiderich zu. Ehe dieser begriffen hatte, dass seine Situation mehr als brenzlig war, erschütterte ein kräftiger Kinnhaken seine Sicht. Wie nach einem Schlag auf einen Zinntopf hallte der Hieb in seinem Schädel wider. Nach einer halben Umdrehung seines Körpers gaben beide Knie nach, und Thiderich sackte handlungsunfähig zusammen. Nur noch verschwommen nahm er wahr, dass einer der Männer Millies Zügel packte, um sie auf das Boot zu zerren.
    Seine Augen waren offen, seine Gedanken einigermaßen klar, und dennoch war er unfähig, auch nur einen Finger zu rühren. Fast wähnte er sich schon den Rest der Strecke laufend zurückzulegen, als die träge Millie plötzlich zum Leben erwachte. Mit aller Gewalt stemmte sie ihre Vorderhufe in den morastigen Boden, wie sie es gerne vor Pfützen tat. Panik stieg in der Stute hoch. Sie wollte sich gegen den festen Griff an ihrem Zügel wehren und wieherte schrill. Angstvoll rollte sie die Augen, sodass das Weiße darin zu sehen war, und legte die Ohren flach nach hinten. Mit aller Kraft zog Millie an den Zügeln, bis endlich eine Seite riss.
    Wütend brüllte der Mann etwas in seiner fremden Sprache, worauf der andere Mann zum Prahm ging, um sich mit einem Seil und einer Holzstange zum Abstoßen des Bootes zu bewaffnen.
    In diesem Moment sprang der eben noch am Boden liegende Thiderich auf, rannte zu seiner Stute, stemmte sich an ihrem Rücken hoch und gab ihr unter lautem Rufen die Hacken. Die zu Tode erschrockene Millie stieß sich augenblicklich mit den Hinterbeinen ab und sprang mit einem gewaltigen Satz nach vorn. Fast wäre Thiderich dabei von ihrem Rücken gefallen, doch er schaffte es tatsächlich, noch im letzten Moment in ihre Mähne zu greifen und sich daran festzuhalten. Dann preschten sie im wilden Galopp davon. Die zerrissenen Zügel flatterten wild um den Kopf der Stute, doch sie schien es nicht einmal zu bemerken. Thiderich fand langsam seinen Halt wieder, bekam die Zügel zu greifen und trieb das Tier immer weiter an. In all den Tagen war Millie niemals so schnell gelaufen wie in diesem Moment. Thiderich bezweifelte sogar, jemals zuvor in seinem Leben so schnell geritten zu sein. Wie ein Blitz schossen sie am Ufer der Weser entlang, bis die schimpfenden Männer mit ihren Stöcken schon lange nicht mehr zu sehen und zu hören waren.
    Vor fast zwei Wochen waren der Bote Bodo und der Missionar Nicolaus aus Hamburg aufgebrochen.
    Auch wenn sie nach Anweisung ihrer drei Auftraggeber Johannes vom Berge, Willekin von Horborg und Vater Lambert, keine übermäßige Eile bei der Suche nach Albert an den Tag zu legen brauchten, denn keiner von ihnen glaubte wirklich, dass er noch lebte, waren sie unerwartet schnell vorangekommen. Beide waren sie gute Reiter, und dank ihrer prall gefüllten Börse führten sie zwei mindestens ebenso gute Pferde mit sich.
    Bodo war das Ausführen von Befehlen gewohnt. Seit Jahren schon ritt er für die verschiedensten Auftraggeber, ohne sich in der Regel je für die Hintergründe ihrer Befehle zu interessieren. Dieses Mal aber war es anders. Er konnte nicht umhin, sich über die hohen Herren zu wundern, und musste sich bemühen, den Auftrag auch tatsächlich ernst zu nehmen – schließlich galt es dieses Mal, einen Totgesagten zu finden.
    Endlich hatten sie Butjardingen erreicht. Vor den Männern lag ihr erstes Reiseziel in Langwarden, die St.-Laurentius-Kirche. Beide spürten eine ungemeine Erleichterung darüber, dem nasskalten Wetter an diesem Tag bald zu entkommen.
    Forsch traten sie durch die quietschende Holztür der enormen Kirche ein. Sie hatten den prächtigen Ziegelbau schon von weit her sehen können, da er sich von allen anderen Gebäuden deutlich abhob. Ihr Bauplatz auf einer Wurt machte die Kirche für die Landbevölkerung, genauso wie für die Seeleute, zu einem festen Orientierungspunkt.
    Die Reisenden waren so erschöpft, dass sie kaum ein Auge für die beeindruckenden Ausschmückungen des Gotteshauses hatten. Die

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