Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Unter Beachtung aller gewonnenen Erkenntnisse entschieden die Beisitzer, die Dingleute und der Vogt schlussendlich zu Alberts Gunsten. Um die Ungerechtigkeit auszugleichen, die ihm durch die fälschliche Annahme seines Todes und die neue Ehe seines Weibes entstanden war, wurde ihm tatsächlich die Hälfte des damaligen Familienvermögens der von Holdenstedes zugesprochen – so, wie es sein Vater in seinem letzten Willen auch vorgesehen hatte.
Albert verspürte endlich Genugtuung. Zwar hatte er einen Bruder verloren, doch sein Vermögen und sein Leben zurückgewonnen; und er war sich sicher, dass er dies zum großen Teil zwei einflussreichen Ratsmännern zu verdanken hatte.
Bertram Schele und Ecbert von Harn waren im Stillen die ganze Zeit über auf seiner Seite gewesen. Schon wenige Tage nach Alberts Rückkehr aus Friesland hatten die beiden Familien angefangen, Albert regelmäßig zu sich einzuladen. Diese Einladungen verfolgten zunächst einmal den Zweck, offenkundig zu machen, dass diese beiden hohen Herren für Albert und somit gegen Conrad waren. Dieser Pakt mischte die Edlen Hamburgs regelrecht auf. In den Kontoren der Stadt wurde heiß diskutiert, und viele Ratsmänner fühlten sich alsbald aufgefordert, selbst Stellung zu beziehen. Es dauerte nicht lange, da kamen sie und schlossen sich ihm an. Schnell galt er nicht mehr als der kleine, unbedeutende Bruder Conrads, der im Schatten des Älteren stand. Er war zurück – und zwar größer und stärker denn je zuvor!
Kurz nach den Verhandlungen nahm Albert die Bauarbeiten an seinem Haus wieder auf, und bereits vor Beendigung des Baus stieg er wieder ins Handelsgeschäft ein. Die Freundschaft zu den einflussreichen Herren der Stadt machte sich auch hier bezahlt. Immer wieder knüpfte Albert in den Häusern seiner Freunde neue geschäftliche Kontakte. Die Aufträge flogen förmlich nur so durch seine Tür.
Wo viele der anderen Hamburger Kaufleute ihren Handel seit ewiger Zeit auf Flandern und dessen Tuche ausgerichtet hatten, verfolgte Albert eine andere Idee. Er wollte nicht mehr zurück in sein altes Leben – und somit auch nicht mehr zurück in den Tuchhandel. Womöglich wäre es Albert sowieso nur schwerlich gelungen, Conrads Vorsprung vieler Jahre irgendwann wettzumachen, und außerdem hätte das eine ewige Konkurrenz zwischen ihm und seinem Bruder bedeutet. Nein, Albert wollte abschließen. Bereits während seiner erlebnisreichen Reise durch das Gau Rüstringen hatte er sich zu diesem Wandel in seinem Leben entschieden. Auch wenn es ein Risiko darstellte, mit etwas zu handeln, dessen er nicht kundig war, stand Alberts Entschluss dennoch fest. Friesisches Holz. Das sollte sein neues Tuch werden.
Alberts Idee fand schnell Anklang bei den bautüchtigen Hamburger Bürgern, und sein Handel mit dem Holz aus den friesischen Landen brachte ihm bald schon einen beachtlichen Reichtum ein.
Auch Walther und Thiderich profitierten von Alberts schnellem Aufstieg. Bald schon wuchs ihrem Freund die Arbeit regelrecht über den Kopf, sodass er Leute brauchte, denen er vertrauen konnte. Der Weg zu seinen beiden Freunden war kurz. Wie selbstverständlich zogen die Männer in Alberts Haus mit ein. Beide brachten völlig unterschiedliche Qualitäten mit; beide waren für Albert schnell unentbehrlich.
Walther konnte, dank seines geistlichen Ziehvaters, schreiben und lesen. Diese Eigenschaft erwies sich als äußerst nützlich, denn so konnte er sich um die Führung der Kaufmannsbücher kümmern, die seit einigen Jahren in der Stadt so unentbehrlich zu sein schienen. Mit großer Gewissenhaftigkeit sorgte er dafür, dass kein einziger Pfennig abhandenkam. Außerdem war Walther des Friesischen kundig, was sein Freund ebenfalls geschickt zu nutzen wusste.
Thiderich hingegen war Albert außerhalb des Kontors nützlich. Als seine rechte Hand begleitete er ihn auf seinen Reisen und lernte das Handwerk eines Kaufmanns schnell. Er war Albert zutiefst dankbar für sein Vertrauen und zeigte ihm dies durch seinen unermüdlichen Fleiß und seine nie enden wollende Lernbereitschaft. Obwohl es vorher keiner geglaubt hätte, entwickelte sich Thiderich sehr bald schon zu einem geachteten Kaufmannsgehilfen, der binnen kürzester Zeit seine niedere Herkunft mit geübten Reden, ansehnlicher Kleidung und einem kleinen Wohlstandsbauch übertünchte.
Selbst die Ratsmänner, die nun, da das prächtige Kaufmannshaus Alberts fertiggestellt war, häufig mit ihren Damen zu Besuch kamen,
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