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Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Frau des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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anderen Häusern der Straße, deren Türen weit offen standen und die wie leergefegt wirkten, machte dieses Haus den Eindruck, als schliefen seine Bewohner noch einen geruhsamen Schlaf. Albert zögerte nicht lange. Alles Rufen und Klopfen wäre sowieso vergebens gewesen, denn der vorherrschende Lärm schluckte jedes Geräusch. Außerdem wäre Albert wohl der Letzte gewesen, den Symon freiwillig eingelassen hätte. Kurzerhand wölbte er die Schulter vor und nahm Anlauf. Nach drei oder vier Versuchen sprang die Tür endlich auf.
    Im Inneren des Hauses war es weit stiller als auf den Straßen. Der eingedrungene Rauch sorgte für eine gespenstische Stimmung, und die alles bedeckenden weißen Ascheflocken trugen dazu noch bei. Sofort nachdem er eingetreten war, spürte Albert, dass hier etwas nicht stimmte. Er war nicht allein!
    Fast schien es ihm, als hielte das Haus selbst die Luft an, damit er nicht hinter sein Geheimnis kam. Selbstverständlich war Albert noch niemals zuvor in diesem Haus gewesen und wusste demnach auch nicht, wo genau er mit seiner Suche beginnen sollte. Eilig entschied er, zunächst im Erdgeschoss und dann oben nach Ragnhild zu schauen. Er hastete los, schritt durch die Räume und blickte in alle Winkel. Während er sich durch den Dunst kämpfte, rief er immer wieder ihren Namen, doch er bekam keine Antwort.
    Der Rauch im Haus wurde dichter. Er drang durch alle Ritzen und erschwerte Albert die Suche. Seine immer schlechter werdende Sicht erlaubte es einem möglichen Feind, sich unbemerkt an ihn heranzuschleichen. Zusätzlich verriet Albert seinen Standort durch seinen immerwährenden Husten. Seine Kampfposition war dadurch denkbar schlecht, und das ließ ihn wachsam sein. Vorsorglich schaute er sich nach einer Waffe um.
    Dann plötzlich sah Albert eine schemenhafte Bewegung. Noch bevor er nach etwas greifen konnte, mit dem er sich hätte verteidigen können, bekam er einen heftigen Schlag auf die Schulter. Vor Schmerz aufstöhnend, konnte Albert sich gerade noch dagegen erwehren, in die Knie zu sacken. Stattdessen begann er, sich um sich selbst zu drehen, um einen weiteren Angriff vorzeitig entdecken zu können. Er musste aufrecht stehen bleiben und sich ständig bewegen, wenn er keine leichte Beute sein wollte. Während er versuchte, den unsichtbaren Feind zu orten, griff er mit der Linken nach einem Krug, der auf einem Tisch stand. Es war still um ihn. Albert schwitzte stark. Er meinte bereits die Hitze der näher kommenden Flammen zu spüren, und er wusste, es blieb ihm nicht mehr viel Zeit, um vor ihnen zu fliehen. Doch die Anwesenheit des Angreifers machte eine weitere Suche nach Ragnhild zunächst unmöglich. Er musste den Feind zuerst dingfest machen. Noch immer drehte sich Albert um sich selbst. Seine Augen halb zugekniffen, seine spärliche Waffe zum Schlag bereit. Die verletzte Schulter pochte heftig. Ausgerechnet sein Wurfarm war beeinträchtigt. Albert konnte fast nichts mehr erkennen, doch dann plötzlich vernahm er ein Straucheln neben sich. Etwas huschte vorbei, und er zögerte nicht lange. So kräftig er konnte, warf er den Krug in Richtung des Feindes – und er traf!
    Neben dem zerschellenden Geräusch des Tongefäßes vernahm Albert zeitgleich ein heftiges Stöhnen und das Geräusch eines Körpers, der zu Boden sackte. Er hatte seinen Feind tatsächlich überwältigt.
    Als Albert näher trat, sah er mit Erschrecken das blutüberströmte Gesicht Grits, der Magd von Symon. Sie schien bewegungsunfähig, hatte aber die Augen weit geöffnet und starrte ihn an. »Wo ist Ragnhild?«, schrie Albert sie an.
    Doch Grit verzog ihren Mund nur zu einem schiefen Lächeln.
    Albert verließ die Geduld. Er packte sie an ihrer Haube und drohte ihr mit seiner geballten Faust. »Sprich, Weib, ansonsten zerschlage ich dir dein Gesicht. Wo ist Ragnhild?«
    Das höhnische Lächeln auf Grits Gesicht erstarb, und sie versuchte ängstlich ihren Kopf wegzudrehen. Dabei zeigte sie auf die Treppe und murmelte: »Oben. In der Schlafkammer.«
    Albert ließ die Magd einfach liegen und rannte hinauf. Er bekam kaum noch Luft, und der Schweiß lief ihm übers Gesicht. Immer wieder rief er Ragnhilds Namen, bis er plötzlich eine Antwort erhielt. Zielsicher steuerte er auf die einzige verschlossene Tür zu und stieß sie auf. Da lag sie. Auf dem Bett – an Armen und Beinen gefesselt.
    »Ragnhild, bist du verletzt?« Albert lief zu ihr. Das Gesicht der Gefangenen war von Angst gezeichnet. Sie weinte und zerrte an

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