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Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Titel: Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Pavone
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hinaus, die Rue du St.-Esprit, eine schmale Kopfsteinpflastergasse, die nach fünfzig Metern eine scharfe Biegung machte und steil nach unten führte, ehe sie in eine ebenso schmale Gasse namens Rue Large mündete. Diese stieg steil an und führte wenige Sekunden später in die Montée du Clausen, auch bekannt als Route 1. Von hier an konnte man ungeniert aufs Gas drücken und in jede Himmelsrichtung davonpreschen, nach Deutschland, nach Frankreich, zum Flughafen oder aufs Land.
    Kate sah auf ihre Uhr. Nicht einmal zwei Minuten vom Fenster bis in die Freiheit.
    Die beiden waren Ausländer, die unter falschem Namen mit ungehindertem Blick auf einen Palast lebten, in dem es vor potenziellen Attentatsopfern nur so wimmelte. Und sie hatten einen Fluchtweg, der besser nicht sein könnte.
    Reine Indizien, das war Kate völlig klar. Und vielleicht hatte sie die beiden nicht einmal ernsthaft im Verdacht, vielleicht suchte sie eine Ausrede, um ihnen auf den Zahn zu fühlen. Um beschäftigt zu sein.
    Sie konnte sich kaum entscheiden, welches der zahlreichen Szenarien, die ihre Phantasie ersann, das irrwitzigste war. Einerseits war es ziemlich unwahrscheinlich, dass ein Killerteam seine Zelte in Luxemburg aufschlug, um ein Attentat auf jemanden zu verüben. Andererseits war es eine einleuchtende Erklärung dafür, dass ein Pärchen mit falscher Identität eine Wohnung in dieser Lage anmietete.
    Eine weitere Möglichkeit war, dass es sich bei Julia und Bill um Flüchtlinge handelte. Aber konnte das sein?
    Und dann war da noch das allerschlimmste Szenario von allen: Waren sie womöglich Kates wegen nach Luxemburg gekommen?
    Es gab nur einen einzigen Strang, der aus ihrer Vergangenheit bis über den Atlantik reichen und sich wie eine Schlinge um ihren Hals legen konnte.
    Kate hatte immer gewusst, dass das Kapitel Eduardo Torres nicht endgültig abgeschlossen war. Es gab lose Enden, unbeantwortete Fragen, Beweise. Außerdem hatte niemand bisher Torres’ Vermögen zutage gefördert, das auf rund zehn Millionen Dollar geschätzt wurde. Man ging davon aus, dass das Geld auf irgendeinem Nummernkonto in Europa lag.
    Und nun war Kate hier, im Ruhestand, mit knapp vierzig Jahren, in der Hauptstadt der Nummernkonten und mit einem Ehemann, der als der Experte auf dem Gebiet der Sicherheit von Nummernkonten galt.
    Kate musste extrem verdächtig wirken.
    Aber für Bill und Julia galt genau dasselbe. Sie würde tiefer graben müssen.

12
    Es nieselte, oder wie immer man es nennt, wenn winzige Wasseratome vom Himmel schweben, zu winzig, um sie als Regentropfen zu bezeichnen.
    Die Scheibenwischer waren auf die niedrigste Stufe eingestellt und fuhren im Dreisekundentakt über die Windschutzscheibe. Im Radio lief France Culture, doch Kate hatte Mühe, dem Gespräch zu folgen. Es schien um Baudelaire zu gehen, zumindest war Baudelaire das Wort, das sie ständig heraushörte.
    Auf dem Beifahrersitz lag die Visitenkarte eines Podologen. Sie könnte sagen, sie sei ein wenig zu früh dran für ihren Termin und sitze deshalb hier im warmen, trockenen Wagen und warte. Nein, würde sie antworten, sie hätte keine Ahnung gehabt, dass sich Bills Büro hier befand. Woher auch? Sie hatte sich die Adresse von den Umschlägen im Gästezimmer gemerkt.
    Die Straße war von hohen, schmalen Häusern mit winzigen Vorgärten gesäumt. Die Gebäude waren bräunlich oder gräulich, die Gehsteige hellgrau gepflastert, die Straßen dunkel asphaltiert, die Autos silberfarben, grau und gelegentlich schwarz, der Himmel dunkel und schieferfarben – triste Farblosigkeit.
    Kate saß seit einer knappen Stunde hier, und es lagen immer noch drei Stunden vor ihr, bis sie die Kinder abholen musste. Niemand würde erfahren, was sie tat und wo sie es tat. Oder warum um alles in der Welt.
    Es sei denn, jemand hatte ihren Wagen manipuliert und zum Beispiel ein batteriebetriebenes GPS-Ortungsgerät unter dem weichen grauen Lederbezug des Beifahrersitzes versteckt.
    Um 11:40 Uhr verließ Bill das Gebäude, sah nach links und rechts, kam die Treppe herunter und betrat den Bürgersteig. Er hatte sich umgezogen und trug Tenniskleidung – weiße Shorts und eine warme Jacke mit roten und blauen Streifen auf den Ärmeln, ein geradezu komisches Outfit, das ihn wie eine Figur aus einem Monty-Python-Sketch wirken ließ.
    Er hastete zu seinem putzigen kleinen BMW, der Kate an ein Spielzeugauto erinnerte, und preschte mit aufheulendem Motor durch die stillen Straßen, um rechtzeitig um zwölf

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