Die Frau im Rueckspiegel
Rebecca sah ihr nach, wie sie zu einem alten VW ging, ihn aufschloß und einstieg.
Christiane zuckte mit den Achseln. »Soll ich Sie dann jetzt nach Hause fahren?« wandte sie sich an Rebecca.
»Wie bitte?« fragte Rebecca abgelenkt. In ihr klangen noch Judiths Worte nach. Das klappt schon. Christiane hatte sich also überzeugen lassen? Sie ging auf Judiths Idee ein? Ausgerechnet Christiane, die ihr nur wenige Tage zuvor erklärt hatte, daß nicht jeder es auf ihr, Rebeccas, Geld absah!?
»Ich . . .«, Christiane lächelte unsicher, ». . . bin jetzt wieder für Sie da. Danke noch mal, daß Sie sich die Umstände gemacht haben.« Christiane kämmte verlegen mit der Hand ihren Pony aus der Stirn.
Rebecca nickte lediglich.
Daß Christiane sich plötzlich zu ihr beugte und ihre Wange küßte, damit hatte Rebecca nicht gerechnet. »Sie sind ein Schatz«, sagte Christiane leise.
Rebecca biß die Zähne zusammen. Schweigend gingen sie zum Wagen, wo Rebecca Christiane wortlos den Schlüssel zurückgab.
Während der Fahrt sah Rebecca aus dem Fenster. Ihre Gedanken befanden sich in Aufruhr. Eben noch hörte sie ein Gespräch mit, in dem diese Judith Christiane vorschlug, die solle mit ihr, Rebecca, flirten, damit der Club an Geld kam – und keine Minute später küßte Christiane sie. Okay, nur auf die Wange, aber es war eindeutig ein Kuß. Das war doch wohl kein Zufall!
Rebecca fühlte, wie sich eine Hoffnung in ihr zerschlug. Eine, die sie noch nicht einmal zu benennen wußte, so vage war sie. Aber es lohnte sich nicht, weiter darüber nachzudenken. Sie seufzte. Wieder einmal bestätigte es sich. Es war einfach so. Früher oder später versuchten die Leute, über sie an Vorteile zu kommen. Verdammt! Und sie hatte schon angefangen zu glauben . . . aber warum sollte Christiane anders sein? Weil sie ein paar rührselige Geschichten aus ihrem Leben erzählt hat? Das war doch nichts als Show!
Und du, Rebecca, bist darauf reingefallen. Hast dich von einem Paar verschmitzt lächelnder Augen einfangen lassen.
Aber das war jetzt vorbei!
9
A nitas anfängliche Skepsis über die zusätzliche Hilfe in ihrem Vorzimmer verwandelte sich allmählich in Freude über den praktischen Nutzen. So wie heute, wo sie mit ihrer Tochter einen Termin beim Optiker hatte.
»Ich bin dann weg.« Sie winkte Christiane im Hinausgehen kurz zu. Die Tür klappte leise ins Schloß.
Am anderen Ende des Vorzimmers öffnete sich Rebeccas Bürotür. Den Blick auf ein Papier in ihrer Hand geheftet, allem Anschein nach ein Fax, murmelte Rebecca: »Ach Anita, würden Sie so nett sein . . .«
»Anita ist gerade gegangen«, sagte Christiane.
Rebecca blickte auf. »Oh.«
»Ihre Tochter braucht eine Brille. Sie sagten, sie könne früher Schluß machen.«
»Ja, ich erinnere mich«, erwiderte Rebecca. Christiane glaubte ihr kein Wort. Rebeccas Gedanken waren ganz woanders, das zeigte ihr Gesichtsausdruck deutlich. »Dann buchen Sie mir doch bitte für Donnerstag früh einen Flug nach München. Ich habe um elf einen Termin, also sollte ich spätestens um zehn auf dem Flughafen ankommen.«
»In Ordnung. Werden Sie abgeholt, oder brauchen Sie ein Taxi?«
»Ein Taxi.«
»Der Rückflug?«
»Freitag mittag. Hotel wie immer.«
»Welches was ist?«
Rebecca schaute Christiane stirnrunzelnd an. »Das kann Anita morgen machen. Kümmern Sie sich nur um den Flug.« Offensichtlich hatte Rebecca keine Muße für lange Erklärungen. Sie machte kehrt, hielt jedoch noch einmal kurz inne. »Ach übrigens, heute abend holen Sie bitte wieder einen Gast für mich ab.«
»Frau Goslar?«
»Nein.« Rebecca schüttelte den Kopf. »Sie war . . . nicht das, was ich mir versprochen hatte«, murmelte sie mehr zu sich.
Christiane hob die Augenbrauen, hütete sich aber zu fragen, was besagte Dame für »Mängel« hatte. Für ihren Geschmack wußte sie schon zuviel allein dadurch, daß Rebecca ihre abendlichen Besuche durch sie abholen ließ.
Rebecca verschwand wieder in ihrem Büro. Christiane suchte die Nummer der Airline heraus, rief dort an und ließ ein Ticket am Schalter hinterlegen. »Senden Sie mir die Flugdaten bitte per Mail. Reederei Reklin, Sie haben die Adresse?«
Die Buchungsbestätigung kam eine Viertelstunde später. Christiane druckte sie aus und reichte sie Rebecca rein.
»Schon erledigt?« Rebecca nahm die Mail und legte sie ungelesen auf ihrem Schreibtisch ab.
»Und alles in Ihrem Kalender eingetragen.« Christiane lächelte Rebecca an.
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