Die Frau im Rueckspiegel
den Kopf in Richtung Küche. Außer Rebecca. Der Lärm schien sie an einen anderen Ort versetzt zu haben, in eine andere Zeit, in der sie sich immer noch befand, als Christiane den Kopf wieder zum Tisch und sich zu Rebecca wandte.
Christiane bemerkte Rebeccas abwesenden Gesichtsausdruck und wartete einen Moment, bevor sie fragte: »Rebecca? Stimmt was nicht?«
Rebeccas Blick kam langsam zurück in die Gegenwart. »Ich möchte gern nach dem Essen noch in die Hotelbar gehen. Würdest du mitkommen?« fragte sie.
Christiane machte ein bedenkliches Gesicht. »Ich halte das für keine gute Idee. Ein Glas Wein zum Essen ist okay. Aber glaubst du, du bist schon wieder so fit, daß du in eine Bar gehen solltest?«
Rebecca schien gar nicht zu hören, was Christiane eben gesagt hatte. Sie winkte die Kellnerin heran. »Zahlen bitte«, sagte sie. Plötzlich schien Rebecca es eilig zu haben.
»Was ist denn los?« wunderte Christiane sich.
»Dieser Lärm eben, er hat mich an was erinnert«, erklärte Rebecca. »Ich war am Donnerstag abend noch in der Hotelbar. Da gab es ein ähnliches Malheur mit ein paar Gläsern. Vielleicht erinnere ich mich ja an mehr, wenn ich dort bin.«
Nun verstand Christiane Rebeccas Reaktion. Deren Nervosität ging sogar ein wenig auf sie über. Ungeduldig warteten sie, daß die Kellnerin die Rechnung brachte.
Die Hotelbar war zu diesem Zeitpunkt nur spärlich besucht. Der Barkeeper polierte gelangweilt die Gläser und schaute nur kurz auf, als sie die Bar betraten. Rebeccas Blick tastete sich Stück für Stück durch den Raum. Ja, hier war sie schon einmal gewesen. Sie erinnerte sich an das riesige dreigeteilte Bild an der Wand. Die Diskrepanz der abstrakten Kunst zum Ambiente des Raumes. Für so etwas hatte sie ein Gedächtnis!
Rebecca drehte sich zu Christiane um, die hinter ihr geblieben war, nickte ihr zu und steuerte auf die Bar zu. Sie nahmen auf den Barhockern Platz. Der Keeper kam zu ihnen, fragte nach ihren Wünschen.
»Zwei Irish Coffee, bitte«, bestellte Rebecca.
Der Mann nickte und zog sich etwas zurück.
»Ich weiß, daß ich hier war«, sagte Rebecca mit gedämpfter Stimme zu Christiane. »Und . . . ich erinnere mich, daß ich mich mit jemandem unterhalten habe. Aber wer das war . . .« Grübelnd starrte sie vor sich hin.
Christiane wartete.
»Vielleicht einer deiner Geschäftspartner?« konnte sie sich schließlich nicht mehr zurückhalten.
Rebecca seufzte und hob hilflos die Hände. »Ich kann mich nicht erinnern.«
»Entschuldigen Sie, wenn ich mich einmische.« Der Barkeeper stellte die bestellten Irish Coffee vor ihnen auf den Tresen. »Sie saßen hier mit einem jungen Mann, etwa dreißig. Sie unterhielten sich sehr angeregt miteinander.«
Rebecca schaute den Barkeeper überrascht an. »Sie erinnern sich an mich?«
»Aber ja. Sie sind öfter Gast unseres Hotels. Da merkt man sich das Gesicht. Am Donnerstag waren Sie hier. So gegen zehn, halb elf abends. Sie bestellten, wie eben auch, Irish Coffee. Der junge Mann, er war bereits vor Ihnen in der Bar gewesen, setzte sich kurz darauf zu Ihnen. Ich glaube, anfänglich war es Ihnen nicht recht, daß er Sie ansprach, aber dann unterhielten sie sich beide blendend. Mindestens eine Stunde.«
»Worüber haben wir gesprochen?«
Der Barkeeper zuckte mit den Schultern. »Um die Uhrzeit war hier mehr los als jetzt. Ich hatte viel zu tun.« Mit einem unsicheren Blick zu Christiane wischte er sich umständlich und auffallend lange die Hände an einem Handtuch ab. »Aber . . .«, druckste er herum.
»Da ist noch was, was Sie sagen wollen? Raus damit!«
»Na ja«, begann der Barkeeper zögerlich. Doch da Rebecca ihn dazu aufgefordert hatte, erzählte er schließlich. »Sie gingen zwar allein aus der Bar, aber der Mann folgte Ihnen auffällig unauffällig nach sehr kurzer Zeit.«
Rebecca schaute den Keeper verwirrt an. »Wollen Sie damit sagen, es hätte so ausgesehen, als seien ich und dieser junge Mann auf meinem Zimmer verabredet gewesen?« Daß das nicht gut möglich war, wußte Rebecca trotz allem mit Sicherheit.
Der Mann nickte. »Als ich beim Antritt meiner nächsten Schicht von der ganzen Sache erfuhr, habe ich nicht glauben wollen, daß Sie sich . . . also nie im Leben wäre ich darauf gekommen, daß Sie solche Absichten hatten.« Er schüttelte vehement den Kopf. »Ich will mich nicht als Psychologe aufspielen und sagen, ich kenne den klassischen Kandidaten, der so was macht. Es gibt ja auch immer Ausnahmen
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