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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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›Volvo-Liegewagen‹.«
    Das Auto war immer ein Volvo S40 gewesen. Bei diesem Modell ließ sich im Kofferraum ein doppelter Boden einbauen, der bei oberflächlicher Prüfung nicht auffiel.
    Deshalb war Elza sicher, dass kein anderer als Vanags Daiga V ī tola getötet hatte.
    »Daiga hat ihn bei einem Transport betrogen. Kazis hat sich darüber so aufgeregt, dass wir alle Angst hatten.«
    Heute war es viel leichter, neue Prostituierte ins Land zu bringen, weil man innerhalb der EU unterwegs war. Vanags ließ jährlich zwei bis drei Frauen holen; sie kamen als Mitfahrerinnen in einem Lkw. Die Frau wurde in Lettland neben den Fahrer gesetzt, der aufpasste, dass sie nicht weglief und mit niemandem sprach.
    Mit einem dieser Transporte sollten zwei Frauen kommen. Daiga V ī tola hatte die Chance erkannt, ihre Mutter und ihre Tochter, die sie seit Jahren nicht mehr gesehen hatte, nach Großbritannien zu holen. Sie hatten per Telefon Kontakt gehalten, aber die Frauen durften nur selten und nur unter Aufsicht ihrer Zuhälter telefonieren.
    Ihren lettischen Mann hatte Daiga nicht vermisst.
    »Er ist ein schlechter Mann«, sagte Elza nur.
    Daiga hatte einer Bekannten in Lettland Geld versprochen, wenn sie dafür sorgte, dass anstelle der Prostituierten Daigas Mutter und Tochter auf die Reise geschickt wurden. Der Fahrer hatte sich darüber gewundert, dass eine Sechzigjährige als Hure nach London verfrachtet werden sollte. Die sechzehnjährige Tochter hatte er dagegen für geeignet gehalten.
    »Zum Glück hüten sich die Fahrer davor, zu viele Fragen zu stellen. Er hat also die Großmutter und das Mädchen nach London gebracht und in unserer Wohnung abgeliefert.«
    Als Vanags davon erfuhr, explodierte er. Er brachte die Neuankömmlinge sofort weg; sie hatten gerade einmal zehn Minuten mit Daiga verbringen können. Daiga war verrückt vor Trauer und Angst.
    Daiga hatte Vanags angebrüllt und sich geweigert, Freier zu empfangen. Sie hatte tatsächlich geglaubt, nachdem sie jahrelang für Vanags gearbeitet hatte, hätte er Mitgefühl und würde ihrer Familie erlauben, bei ihr zu bleiben. Sie bot Vanags an, für die Kosten aufzukommen, doch er war so wütend, dass er ihr gar nicht zuhörte.
    Vier Tage später war Daiga verschwunden.
    Elza hatte vergeblich nach ihr gefragt. Sie hatte sich mit dem Gedanken getröstet, dass Daiga wohl in ein anderes Bordell verlegt worden war.
    Lia fragte, wieso Elza und die anderen Frauen nicht schon im April von dem Fund der Leiche erfahren hatten. »Das war doch eine Riesenschlagzeile, es stand in allen Zeitungen.«
    Elza zuckte die Achseln.
    »Wir kümmern uns nicht um die Nachrichten. Die nützen uns nichts.«
    Einige der Prostituierten sprachen nicht einmal richtig Englisch, sie beherrschten nur den Wortschatz, den sie bei den Freiern brauchten. Von dem Mord an Anita Klusa hatten sie nun in der Zeitung gelesen.
    Daigas Leiche war in einem Volvo gefunden worden, in demselben Modell, das für den Schmuggel der Frauen verwendet worden war; nur der doppelte Boden fehlte. Dass die Leiche im Kofferraum lag, war eine Nachricht an die Prostituierten. Der Volvo-Liegewagen.
    Daiga war in der Holborn Street hinterlassen worden, Anita in Ludgate Hill, und Elza war vollkommen klar, was das bedeutete. In der Nähe beider Fundstellen, in der kleinen Creed Lane, befand sich eins der Bordelle.
    »Dort sind letztes Jahr zwei Frauen weggelaufen. Die eine haben sie sofort aufgespürt und getötet. Die andere war Anita. Die haben sie erst jetzt erwischt.«
    Lia verstand. Anita Klusa war ermordet worden, um zu demonstrieren, dass Flüchtige geschnappt wurden. Und an Daiga hatte man ein Exempel statuiert, weil sie ihrem Zuhälter die Stirn geboten hatte.
    Lia war froh, dass Paddy Moore im Café saß. Plötzlich hatte sie eine Eingebung.
    »Elza, es könnte sein, dass ich weiß, wo Daigas Mutter und Tochter sind.«
    Sie berichtete von dem Haus in Lewisham, in das Vanags jeden Abend Lebensmittel brachte.
    »Vielleicht hält Vanags die beiden dort versteckt.«
    Elza schlug die Hand vor den Mund.
    »O Gott! Ich hatte befürchtet, dass Vanags sie zurückschickt oder ihnen etwas antut. Aber vielleicht sind sie die ganze Zeit noch hier in London gewesen!«
    »Kannst du nach Lewisham gehen?«, fragte Lia.
    »Ich weiß nicht«, sagte Elza verängstigt. »Selbst unser Treffen hier ist gefährlich. Und was können wir schon tun, wenn sie dort eingesperrt sind?«
    »Zumindest könnten wir versuchen, mit ihnen zu reden. Wenn du

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