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Die Frau ohne Gesicht

Die Frau ohne Gesicht

Titel: Die Frau ohne Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pekka Hiltunen
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schlug ein Treffen in der Mittagspause vor.
    »Mari sagt, du möchtest einige Kniffe von mir lernen.«
    »So hat sie sich ausgedrückt?«
    Sie trafen sich im Pub Real Greek. Das Lokal war voll, doch Paddy ergatterte bald einen Tisch. Irgendetwas an seiner stämmigen Erscheinung hielt die Menschen davon ab, ihm zu widersprechen, stellte Lia fest.
    Paddy kam sofort zur Sache.
    »Ich bin dem Objekt jetzt zwei Tage gefolgt. Die Sache wird interessant.«
    »Das Objekt«. Lia merkte, dass sie sich an den Jargon erst gewöhnen musste.
    Paddy berichtete, was er über den Mann erfahren hatte. Er hieß Kazimirs Vanags – Rufname Kazis. Sechsundvierzig Jahre alt, aus Lettland, 1997 nach Großbritannien gezogen.
    »Aus Lettland!«, rief Lia.
    »Ganz recht«, sagte Paddy. »Es kommt noch besser.«
    Vanags war in den behördlichen Registern als Besitzer des Eastern Buffet eingetragen. Im Unternehmensregister fand sich auf seinen Namen zudem noch eine weitere Firma, Salmina, die Produkte aus dem Baltikum und aus Russland importierte und fast eine halbe Million Pfund Jahresumsatz machte.
    »Das muss noch genauer untersucht werden. Steuern, Personal, Einfuhrerlaubnis. Was er im Einzelnen importiert und woher.«
    Paddy arbeitete schnell und gründlich. Er wollte die Spielregeln festlegen, bevor er Lia zur Beschattung des Kaufmanns mitnahm.
    »Ich bestimme, was getan wird. Du bist Maris Freundin, aber bei diesem Einsatz bist du nur Beobachterin. Ich breche die Operation sofort ab, wenn du eigenmächtig handelst. Dafür gibt es zwei Gründe: erstens die Sicherheit – deine, meine und die anderer Leute – und zweitens das Gelingen des Projekts.«
    Lia nickte.
    Paddy riet ihr, darauf gefasst zu sein, dass die Arbeit mitunter langweilig war. Oft sitze man stundenlang nur herum. Wenn dann etwas geschah, müsse man sofort reagieren und versuchen, die nächsten Ereignisse vorherzuahnen.
    Lia hörte konzentriert zu. Sie hatte mehr zu lernen als nur den Jargon.
    Nach der Arbeit eilte Lia zum Treffpunkt in der High Road in Leyton. Sie hatte angenommen, Paddy würde in der Nähe des Ladens Wache halten, doch er führte sie zu seinem Wagen, der eine Straße weiter stand. Dort zeigte er ihr seinen Laptop, auf dessen Bildschirm die Ladentür zu sehen war.
    Beschattung sei heute häufig Teleüberwachung, erklärte er. In der Regel halte man sich dabei so nah am Objekt auf, dass man ihm bei Bedarf sofort folgen konnte.
    Paddy hatte an dem Gebäude gegenüber dem Laden eine Minikamera angebracht, die Verbindung zu seinem Laptop hatte. Die Kamera war eins von Ricos Wunderwerken. Sie war unvorstellbar klein, wie eine Schraube, und konnte mit einem Magneten auf Metall oder mit einem speziellen Klebestreifen auf anderen Oberflächen befestigt werden. Paddy hatte sie bei Nacht mit einer Teleskopstange hoch oben an der Hauswand befestigt, damit Passanten sie nicht etwa zufällig bemerkten.
    Wenn jemand die Tür öffnete, konnte man sogar in den Laden sehen. Einmal erkannte Lia die Gestalt des Inhabers hinter dem Ladentisch.
    »Ein unglaubliches Ding«, sagte sie. »So scharfe Aufnahmen, auf die Entfernung.«
    Wenn man ein solches Gerät kaufen würde, läge der Preis bei zehntausend Pfund, erzählte Paddy. Aber da Rico es selbst gebaut hatte, waren nur für die Spezialoptik und anderes technisches Zubehör Kosten angefallen.
    Der Akku der Kamera reichte für drei Tage. Man konnte sie allerdings per Fernbedienung über Nacht ausschalten, sodass er auch länger durchhielt. Wenn der Akku ausgewechselt werden musste, würde Paddy sich als Plakatkleber ausgeben, um keinen Verdacht zu erregen.
    Paddy berichtete, Kazis Vanags habe sich von morgens bis abends im Laden aufgehalten, sei aber gleich nach achtzehn Uhr zu einer Runde mit dem Auto aufgebrochen, die den ganzen Abend in Anspruch nahm. Die Route sei an beiden Abenden identisch gewesen. Zuerst war Vanags nach Camberwell gefahren, wo er in eine Wohnung in der obersten Etage eines dreistöckigen Hauses in der Vassall Street gegangen war.
    »Es handelt sich um ein Freudenhaus«, sagte Paddy. »Die Männer, die dort ein und aus gehen, blicken sich verräterisch oft um.«
    Paddy hatte zwei Frauen zu Gesicht bekommen, die am Fenster standen und rauchten. Die beiden sahen osteuropäisch aus. Wahrscheinlich waren noch mehr Frauen in der Wohnung. Möglicherweise war ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt, doch Gefangene waren sie nicht: Eine der Frauen hatte in einem Laden in der Nähe eingekauft.
    Nach dem Besuch

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