Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
wollte.
Reingehen, erzählen, was Sache war, rausgehen.
Kurz und tatsachenbezogen.
Das war sein Plan. Er wollte keinerlei Möglichkeit bieten, den Anlass seines Besuchs misszuverstehen, denn er war sich sicher, dass sie jede Gelegenheit hierzu ergreifen würde. Er holte tief Luft und klingelte. Die Tür wurde weit aufgerissen, noch bevor er den Finger von der Klingel genommen hatte. Ellinor lächelte ihn an.
«Ich habe dich durchs Fenster kommen sehen», sagte sie und machte einen einladenden Schritt zur Seite. «Komm rein. Ich habe dich vermisst.»
Sebastian seufzte innerlich. Er musste gegen den Impuls ankämpfen, sich einfach umzudrehen und zu gehen. Zu fliehen. Auf alles zu pfeifen. Aber nein, er war gezwungen, sie zu informieren. Sich selbst zuliebe.
Reingehen, erzählen, rausgehen.
Er würde sich an den Plan halten.
Sebastian betrat den Flur.
«Ich habe dich nicht vermisst. Deswegen bin ich nicht hier.»
«Aber immerhin bist du hier.» Ellinor zwinkerte ihm schelmisch zu, als sie sich an ihm vorbeistreckte und die Tür schloss. «Leg doch ab.» Sie machte eine Geste in Richtung des Kleiderständers.
«Ich will nicht lange bleiben.»
«Aber du wirst doch wohl trotzdem kurz reinkommen?»
Ellinor sah ihn geradezu hoffnungsfroh an. Sebastian überlegte kurz und kam zu dem Schluss, dass sein Anliegen keines war, das man im Flur stehend vorbrachte. Nicht einmal Ellinor Bergkvist gegenüber. Er behielt seine Jacke an, folgte ihr aber dennoch ins Wohnzimmer. Das Fensterbrett voller Zimmerpflanzen. Eine kleine Sitzecke, ein Sofatisch mit einem Fach für Zeitschriften, an der Wand ein Bücherregal mit nur wenigen Büchern. Aufgereihter Nippes, Souvenirs von Auslandsreisen vielleicht. Keine Fotos. Zwei Gestelle mit großen grünen Pflanzen rechts und links neben der Tür.
«Möchtest du etwas trinken?», fragte sie, als er sich aufs Sofa setzte.
«Nein.»
«Sicher? Nicht einen kleinen Kaffee?»
«Nein.»
«Nachdem du letztens da warst, habe ich sogar richtigen Kaffee gekauft und so eine Stempelkanne.»
Sie machte eine Handbewegung in der Luft, als wolle sie ihm demonstrieren, wie man den Kaffeefilter nach unten drückte.
«Nein danke, ich will keinen Kaffee! Ich muss mit dir sprechen.»
«Worüber denn?»
Lag da eine gewisse Erwartung in ihrer Stimme? Ahnte er ein hoffnungsvolles kleines Lächeln in ihrem Gesicht? Er hatte keine Ahnung, was sie von ihm zu hören hoffte, fand es aber sinnlos, um den heißen Brei herumzureden. Sebastian holte tief Luft und ließ seine eingeübte Rede vom Stapel.
Vier Frauen waren gestorben. Ja, sie hatte davon gelesen.
Die einzige Gemeinsamkeit zwischen ihnen bestand darin, dass sie alle ein sexuelles Verhältnis zu Sebastian gehabt hatten. Was für ein Zufall!
Er war möglicherweise über einen längeren Zeitraum hinweg verfolgt worden, weshalb das Risiko bestand, dass der Mörder auch von ihrem One-Night-Stand wusste. Was er damit meinte?
Sie war eventuell in Gefahr.
Ellinor rutschte auf ihrem Sessel vor und blickte Sebastian ernst an. «Meinst du, dass er hierher kommen könnte?»
«Es besteht ein gewisses Risiko dafür.»
«Was kann ich tun?»
«Das Beste wäre, du würdest jemanden besuchen. Für eine Weile von hier verschwinden.»
Ellinor faltete die Hände auf den Knien und schien über das nachzudenken, was er gerade gesagt hatte. Sebastian wartete. Genau wie bei Anna Eriksson wollte er sichergehen, dass Ellinor den Ernst der Lage begriffen hatte, bevor er wieder ging. Wollte hören, dass sie tatsächlich vorhatte, ihre Wohnung zu verlassen.
«Aber zu wem soll ich denn fahren?»
Die Frage verwunderte Sebastian. Woher sollte er das wissen! Er wusste über Ellinor das, was er nach dem Jussi-Björling-Vortrag von ihr erfahren hatte, und damals hatten sie nicht über die Frage gesprochen, zu wem sie ziehen sollte, wenn sie gezwungen wäre, ihre Wohnung Hals über Kopf zu verlassen. Sie wusste, dass er das unmöglich wissen konnte. Und trotzdem fragte sie. Das störte ihn. Natürlich.
«Ja, keine Ahnung. Es muss doch wohl irgendjemanden geben?»
«Ich weiß nicht …» Ellinor verstummte. Sebastian stand auf. Er hatte seine Aufgabe erledigt. Mehr konnte er nicht tun. Er hatte sie gewarnt. Wie sie mit dieser Information umging, konnte unmöglich sein Problem sein. Trotzdem ertappte er sich dabei, dass er beinahe ein bisschen Mitleid mit ihr hatte. Ihre Frage ließ vermuten, dass es niemanden gab, der sie in einer Notsituation selbstverständlich
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