Die Frauen, die er kannte: Ein Fall für Sebastian Bergman (German Edition)
und antwortete das, was vermutlich die wenigsten Konsequenzen hatte, nämlich: «Nichts.»
Ellinor nickte, anscheinend war sie mit seiner Antwort zufrieden oder wenigstens damit, dass sie seine Aufmerksamkeit wiedererlangt hatte. Sebastian reckte sich nach einer Melonenspalte. Die würde er wohl irgendwie runterwürgen können.
«Woran arbeitest du eigentlich gerade?»
«Warum?»
Eine unfreundliche, um nicht zu sagen abweisende Gegenfrage, aber er konnte der Sache schließlich auch gleich ein Ende setzen. Sebastian wollte auf keinen Fall, dass diese ohnehin schon anstrengende Frühstücksveranstaltung nun noch zu einem gegenseitigen Kennenlernen wurde. Sie wussten genug voneinander. Sie wusste bereits, dass er Sebastian Bergman hieß, Psychologe war und Bücher schrieb. Weiteren privaten Fragen war er effektiv ausgewichen und hatte stattdessen ohne große Schwierigkeiten das Gespräch umgedreht und Interesse an Ellinor vorgeheuchelt.
«Du hast gesagt, du müsstest arbeiten», fuhr sie fort. «Aber es ist mitten im Juli, und die meisten Menschen haben frei, also habe ich mich eben gefragt, woran du gerade arbeitest.»
«Ich schreibe eine Art … Bericht.»
«Worüber?»
«Es ist eine … Nachfolgeuntersuchung. Für die Polizeihochschule.»
«Ich dachte, du wärst Psychologe?»
«Das bin ich auch, aber hin und wieder arbeite ich für die Polizei.»
Sie nickte. Nahm einen Schluck Tee und streckte sich nach einer Brotscheibe.
«Wann muss er fertig sein?»
Meine Güte, was für eine elendige Fragerei.
«In zwei Wochen ungefähr.»
Diese grünen Augen. Sie wusste genau, dass er log. Eigentlich kümmerte ihn das wenig. Es war ihm mehr als egal, was sie von ihm dachte, aber es war ihm unangenehm, so völlig normal mit ihr zu frühstücken, obwohl beide wussten, dass dies nur eine Inszenierung war. Eine Chimäre. Aber jetzt war es genug. Er schob seinen Stuhl zurück.
«Ich muss gehen.»
«Ich rufe dich an.»
«Klar …»
Die Tür fiel hinter Sebastian ins Schloss. Ellinor blieb sitzen und lauschte seinen Schritten. Er nahm die Treppe. Sie lächelte vor sich hin. Ihr war klar gewesen, dass er zu Fuß nach unten gehen würde. Sie blieb sitzen, bis sie ihn nicht mehr hörte, dann stand sie auf und ging wieder ins Schlafzimmer. Zum Fenster. Wenn er die Straße überquerte und nach links ging, würde sie ihn sehen können. Aber er tat es nicht.
Ellinor sank auf das zerwühlte Doppelbett. Sie legte sich auf seine Seite. Zog seinen Bettbezug über sich, drückte die Nase in sein Kissen und atmete tief ein. Dann hielt sie den Atem an, um seinen Duft möglichst lange in sich zu behalten.
Ihn zu behalten.
V anja wohnte in einer Wohnung auf der Anhöhe gegenüber dem Frihamnen. Sebastian war sich ziemlich sicher, dass es eine Dreizimmerwohnung war. So sicher man eben sein konnte, wenn man eine Wohnung von einem kleinen, hundert Meter entfernten Fels aus beobachtete. Sie lag in einem hellgelben Wohnblock im funktionalistischen Stil. Sieben Stockwerke. Vanja wohnte im vierten. Soweit er sehen konnte, rührte sich nichts in der Wohnung, vielleicht schlief sie noch. Oder sie war arbeiten. Aber es machte ihm nicht viel aus, dass er sie gerade nicht sehen konnte. Eigentlich war er vor allem deshalb gekommen, weil er nicht wusste, wohin er sonst gehen sollte.
Das war vor einigen Wochen noch anders gewesen.
Da hatte er sich in den Kopf gesetzt, er müsste sie unbedingt sehen. Er müsste sehen, was sie tat. Deshalb hatte er beschlossen, sich einen besseren Überblick zu verschaffen als jenen, den er von dem Felsen aus hatte. Also hatte er versucht, einen der größeren Laubbäume zu erklimmen, die in der Senke unterhalb der Klippen wuchsen. Die ersten Meter kam er über Erwarten gut voran. Er fand in einigen Ästen über ihm einen festen Halt und kletterte weiter. Sah daher die Möglichkeit, noch höher zu gelangen, entdeckte nach einigen tastenden Versuchen mit der Hand einen stabilen Ast und zog sich weiter empor. Die Sonne drang durch das Laub, und die Blätter verströmten einen angenehm frischen Duft. Plötzlich fühlte er sich wie ein kleiner Junge auf Abenteuer. Wie lange war es her, seit er das letzte Mal auf einen Baum geklettert war? Viele, viele Jahre. Aber er war gut darin gewesen.
Gelenkig.
Flink.
Sein Vater hatte ihn nicht dazu ermutigt, er war immer der Meinung gewesen, Sebastian solle sich lieber intellektuellen Herausforderungen stellen, seine Musikalität und seine künstlerischen und kreativen
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