Die Freifliegerin Ein Hexenthriller (German Edition)
Boris“, sagt Miriam mit
bebender Stimme. „Wir müssen auf die Dirnitz-Alm!“
Sie fliehen in den Wald hinein
und überlassen die brennenden Fahrzeuge ihrem Schicksal. Während sie über den
Silbersteig zu einer Forststraße gehen, kommen ihnen Igor und Wotan mit
erhobenen Schwänzen entgegen. Nun müssen sie die zwei Katzen tragen, und
Miriams Tasche mit ihrem wichtigsten Hab und Gut.
Der Anstieg von hier ist
anstrengend. Der Silbersteig ist ein sehr steiler Wurzelpfad, der in der fast
vollständig finsteren Nacht und nach dem Regen zu einer gefährlichen Strecke
geworden ist. Ein falscher Schritt, und der Fuß steckt zwischen zwei ineinander
verschlungenen Wurzelsträngen fest. Nicht auszudenken was passiert, wenn man
dabei ungebremst stürzt. Miriam versucht, mit dem leuchtenden Displays ihres
Handys, das sie zum Glück auch hat retten können, ihren Pfad notdürftig zu
beleuchten. Und sie schaffen es irgendwie, zur Forststraße zu gelangen. Für
eine Weile wird es jetzt etwas einfacher. Teufl schaut sich immer wieder um, ob
irgendwo Verfolger auftauchen, doch zum Glück kann er nichts dergleichen orten.
Später müssen sie auf einer
schmaleren Forststraße weiter, und zuletzt geht es nur mehr über enge
Saumpfade. Der junge Pfarrer hat Igor am Arm, der in seiner Panik immer wieder
die Krallen ausfährt. Teufl blutet schon an vielen Stellen, doch will er das
Tier hier nicht einfach absetzten. Katzen sind keine sehr schnellen Geher und
auch nicht sehr ausdauernd. Sie würden die Tiere schon bald verlieren hier.
Nun müssen sie sehr achtgeben,
denn es wird immer steiler. Miriam kennt diese Stelle schon von ihrem ersten
Aufstieg vor ein paar Tagen. Jetzt haben sie es bald geschafft. Und auch Miriam
hat sich wieder gefunden, trotz der Strapazen des Aufstiegs. Auch sie muss eine
der Katzen tragen. Wotan indes ist, wenngleich schwerer, zum Glück ruhiger. So
hat sie sich die bösen Kratzer erspart, die Christian mit Igor erdulden muss.
Die treue Lila indessen hechelt neben ihr.
Es wird schon alles wieder gut
werden, denkt sie, als sie zur finstersten Stunde an Boris´ Almhüttentür
pochen.
14
Der lange Boris lugt völlig verschlafen
durch den Türspalt.
„Miriam! Mit dir hab ich heut Nacht
nicht gerechnet! Hast du Sehnsucht nach mir?“
Dann sieht er auch den Pfarrer,
und sein Erstaunen wird noch größer. Und so wird Boris´ Almhütte zur Fluchtburg
der Hagazussa. Die drei sitzen in der Hüttenstube und Miriam erzählt dem Boris,
was in den letzten Tagen und Stunden vorgefallen ist. Mit viel Kopfschütteln
hört er sich die Geschichte an. Dann sagt er:
„Kannst du dich noch an meinen
Salviatrip erinnern, Miriam? Ich weiß seit zwei Tagen, wer die Mädchen in
meiner Vision waren. Und ob du es glaubst oder nicht, eines der Mädchen sieht
der echten Else zum Verwechseln ähnlich! Ich habe das Mädchen gestern
aufgebahrt in der Kapelle liegen sehen. Die Ähnlichkeit ist verblüffend.
Unfassbar traurige Geschichte! Und ich bilde mir ein, dass ich sie symbolisch
vorausgesehen habe. Doch was hätte ich tun können? Ich konnte ja selbst nichts
anfangen mit dieser Vision.“
Eine Weile lang blicken alle
stumm zu Boden. Lila winselt kläglich und Igor hat den Küchenteppich
eingenässt.
Im Kopf des Pfarrers laufen die
Gedanken im Kreis. Wie soll er nach dieser Nacht jemals wieder seiner Gemeinde
vor die Augen treten? Morgen - eigentlich schon heute - ist das Begräbnis der
Else und ihres Vaters. Natürlich ist es seine Aufgabe, das Bestattungsritual zu
vollziehen. Nur, wie soll das gehen? Er weiß ja zumindest teilweise, wer die
Attentäter sind, die dann in einer Reihe vor dem Sarg stehen werden. Wie soll
er sich verhalten? Außerdem: Ist er nicht auch selbst in Gefahr? Denn er weiß
nicht, ob er nicht beobachtet wurde, als er zur Hagazussa ging.
Und dann ist da noch etwas:
Miriam! Er macht sich natürlich keine allzu großen Hoffnungen, was sie
betrifft. Und auch wenn es insgeheim bereits zu einem Wunsch geworden ist, ein
Zusammensein mit ihr ist ohnehin undenkbar. Wie sollte das funktionieren? Er
hat sein Leben lang etwas vollkommen Anderes getan, als Liebes- oder
Lebenspartner zu sein. Aber Miriam hat etwas in ihm ausgelöst, das ihn an
seinen bisherigen Grundprinzipien zweifeln lässt: Ist es wirklich gut und
richtig für ihn, ein Leben lang ohne die Liebe einer Frau auszukommen? Was hat
der Herrgott davon, wenn er, Christian, sein ganzes Leben sich nach dieser
Liebe sehnt und darunter leidet? Was
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