Die Frühreifen (German Edition)
Asche aufs Haupt zu streuen?
»Kannst du mir sagen, wozu es dient, daß wir zusammenleben, wenn es so läuft? Was bringt das schon, sag mir das. Wie kommt es, daß alles, was uns einander näherbringen müßte, statt dessen eine Kluft zwischen uns schafft?«
Er blickte sie verdutzt an.
»Was soll ich dir darauf antworten? Warum sollte ich es besser wissen als du?«
Schließlich schüttelte sie den Kopf und schluckte ein paar Tabletten.
»Ich habe einen seltsamen Mann und seltsame Kinder«, vertraute sie bitter der Zimmerdecke an. »In dieser Hinsicht bin ich wirklich bedient. Womit habe ich das nur verdient?«
André und Rose Trendel trafen erst am frühen Nachmittag ein. Nörgelnd, aschfahl, verknittert, erschöpft und zitternd vor Wut sprangen sie aus dem Porsche, noch ehe Richard die Zündung ausgeschaltet hatte. Ihr Flugzeug war drei Stunden lang auf der Startbahn blockiert gewesen, mitten in der Sonne und mit defekter Lüftung, und es gab nichts zu trinken, nichts zu essen, selbst in der Business Class, weil ein Typ angeblich eine Bombe in seinem Schuh versteckt hatte.
Rose, die kurz davor war, in Ohnmacht zu fallen, ließ sich in den Schatten der Zeder führen und eine Orangeade einschenken, während André versuchte, einen Senator, den er kannte, anzurufen, um sich über die schlechte Behandlung zu beklagen, die man ihnen hatte zuteil werden lassen, und eventuell den Direktor der Fluggesellschaft oder irgendeiner anderen Instanz feuern zu lassen, Hauptsache, irgend jemand bekam eins auf den Deckel.
Sie kamen aus New York zurück, wo das Wetter schön gewesen war, und hatten lange Flugstunden hinter sich. Diese Bombe war wirklich der Gipfel.
»Ganz zu schweigen von den Toiletten«, knurrte André. »Ein Gestank, daß sich einem der Magen umdreht. Eine unvorstellbare Verpestung. Und das in der Business Class! «
Rose flehte ihn an zu schweigen. Eigentlich war sie eine stattliche Frau, aber im Augenblick war sie ganz zusammengeschrumpft, die Kinnlade fiel ihr herab.
Laure war untröstlich, daß sie sich nicht so um Rose kümmern konnte, wie sie es verdiente. Sie hätte ihr gern ein Bad eingelassen, sich mit ihr unterhalten, ihr geholfen, die Koffer auszupacken, und ihr von den vergangenen acht Monaten berichtet, aber sie müsse jetzt gehen.
»Wirklich?« fragte Richard. »Gibt es nicht eine Möglichkeit…«
»Wir drehen einen Film, Richard. Wir sind mitten beim Dreh. Jeder muß sich einer gewissen Disziplin unterwerfen. Ich bin sicher, Rose hat Verständnis dafür.«
Rose bewegte eine Hand, aus der ein Spitzentaschentuch herabhing. Auf dem Kopf trug sie eine Art Turban, der Schlagseite hatte.
»Wir sind auf dem laufenden, das kannst du dir ja vorstellen. Du brauchst nur André zu fragen. Ich habe mich so für dich gefreut, mein Schatz. Geh nur, kümmre dich nicht um uns. Geh, wir sehen uns später.«
»Großes Team, großes Budget, nicht wahr?« fügte André in seinem Ralph-Lauren-Polohemd hinzu.
Sie hoben den Kopf und waren sich einig, daß es in der Nacht ein Gewitter geben könne. Dann trugen sie die Koffer in das Gästezimmer über der Veranda, die André und Rose gut kannten, da sie diese gut fünfzehn Jahre zuvor hatten errichten lassen, als ihr Sohn Richard, ihr einziger Sohn, eine schwere Zeit durchmachte.
Rose erklärte, sie wolle im Augenblick nichts essen, aber wenn sie sich nicht sofort hinlege, würde sie auf dem Teppich zusammenbrechen.
Gina hatte einen Ossobuco zubereitet.
André machte Richard darauf aufmerksam, daß sie nur zu zweit essen würden – Evy hatte sich kurz nach seiner Mutter unter dem Vorwand aus dem Staub gemacht, er habe eine dringende Verabredung, auf jeden Fall schien diese wichtiger zu sein als die Ankunft eines Großvaters.
»Ich weiß, Papa, aber so ist das nun mal«, erklärte Richard. »Es ist nicht mehr so wie früher. Die Zeiten sind vorbei.«
»Aber vielleicht mische ich mich ja in etwas ein, was mich nichts angeht.«
»Nein, nein. Das ist schon in Ordnung.«
»Mein Lieber, deine neue Köchin ist ausgezeichnet. Du hast gut daran getan, sie zu wechseln.«
»Nach zwanzig Jahren. Élise hat uns nach zwanzig Jahren verlassen, weil die Atmosphäre im Haus sie verrückt gemacht hat. Im ersten Stock hörtest du es weinen und jammern, und wenn du runtergingst, hörtest du es im Erdgeschoß weinen und jammern, dann hörtest du, wie sie in ihre Schürze heulte. Ich habe wirklich geglaubt, daß alle in diesem Haus verrückt würden.«
»Deine Mutter und
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