Die fünfte Kirche

Dr.   Coll heiter gesagt. «Ich werde ihn selbst auch beobachten.» Und fast kichernd hatte er hinzugefügt, «Ich glaube, ich entwickle gerade ein unstillbares Interesse an prähistorischen Stätten.»
    Dr.   Coll war die Diskretion in Person gewesen, war dann und wann auf ein paar Worte vorbeigekommen – etwa, um Stanley nach der Bedeutung eines Hügels zu fragen, den er von seinem Sprechzimmer aus sehen konnte, oder um ihm einen Artikel über eine Ausgrabung zu bringen, den er gefunden hatte. Und in dieser ganzen Zeit überwachte er, wie er Juliet mit einem Zwinkern bedeutete, Stanleys Gesichtsfarbe, seine Atmung und sein allgemeines Verhalten.
    Sie fand die Art dieses Mannes wunderbar: Es war die perfekte Präventiv-Medizin. Und ganz anders als in der Stadt, wo ein Hausarzt sich kaum Zeit für einen nahm.
    Betty hörte noch Lizzie Wilshire:
«Dr.   Coll ist wunderbar   … so ein fürsorglicher Mann!»
    Juliet Pottinger hatte dasselbe zu Mr.   Weal gesagt, ihrem beflissenen Anwalt, ohne jedoch ins Detail zu gehen, Mr.   Weal kümmerte sich darum, für sie einen kleinen Streifen Land von den Prosser-Brüdern zu erwerben – «für einen geradezu aberwitzigen Betrag», und Mrs.   Pottinger fragte ihn, wie sie sich für Dr.   Colls Freundlichkeit revanchieren könnte.
    ‹Wissen Sie›, hatte Mr.   Weal schließlich gesagt, ‹es gibt da eine gewisse Wohltätigkeitsorganisation, der Dr.   Coll sich besonders verbunden fühlt. Aber tun Sie jetzt noch nichts, das würde er nicht wollen, es würde ihn in Verlegenheit bringen. Vielleicht denken Sie ja später einmal daran? Aber bitte sagen Sie Dr.   Coll nicht, dass ich das erwähnt habe.›
    Zwei Jahre später, als sie Urlaub in Schottland machten – es war ein besonders heißer Sommer   –, entwickelte Stanley Symptome, die auf einen Hitzschlag oder so etwas hinwiesen, weshalb seinebesorgte Frau ihn ins Krankenhaus brachte. Dort allerdings konnten die Ärzte beim besten Willen keine Herzprobleme entdecken.
    «Stanley ist vor dreieinhalb Jahren gestorben, und zwar an Altersschwäche, so hätte man es jedenfalls genannt, bevor alles und jedes erklärt werden musste», sagte Mrs.   Pottinger.
    «Und haben Sie Dr.   Coll jemals mit dieser Fehldiagnose konfrontiert?» Betty stellte sich vor, wie Juliet nachts aufgewacht war und auf Stanleys Atem gelauscht hatte, wie sie seine Diät überwachte und nervös war, wann immer er am Steuer saß. Welche Sorgen sie sich all die Zeit gemacht haben musste!
    «Ich habe den Weg des geringsten Widerstandes gewählt und Stanley überredet umzuziehen. Ich habe ihm gesagt, dieses Dorf hätte eine zu klaustrophobische Wirkung auf mich, was ja auch stimmte. Zu der Zeit hatte ich auch schon herausgefunden, dass Dr.   Coll offensichtlich   … na ja, eine Art Abhängigkeitsverhältnis zwischen sich und einigen seiner Patienten geschaffen hatte, und zufällig waren das alles Leute, die zugezogen waren. Leute, die sich hier vielleicht ein bisschen isoliert fühlten und hocherfreut waren, auf einen so freundlichen und zugewandten Hausarzt zu treffen.»
    «Und hat er für die anderen auch Krankheiten erfunden?»
    «Ich weiß es nicht, über gewisse Dinge spricht man ja nicht so gerne. Aber darüber, was für einen tollen Arzt man hat, spricht man gern. Vielleicht waren wir ein Einzelfall. Einige von diesen Leuten sind jedenfalls ziemlich schnell gestorben. Es gab zum Beispiel ein älteres Ehepaar, das sehr zurückgezogen lebte und keine Kinder hatte, und die beiden sind» – ihre Stimme wurde dünn – «innerhalb weniger Monate nacheinander verstorben.»
    «Und ihr Geld haben sie zufällig diesem   …»
    «Hindwell Trust, ja, ich glaube, es hat ein beträchtliches Erbe gegeben.»
    «Und Sie haben nie etwas gesagt?»
    «Sehen Sie mich doch nicht so an», sagte Mrs.   Pottinger, «hätteich vielleicht zur Polizei gehen sollen? Die hätten mich doch bloß ausgelacht. Ich glaube, Dr.   Coll hat sogar ein paar Jahre als Polizeiarzt gearbeitet. Aber kurz bevor wir wegzogen, habe ich den Connellys ein paar Andeutungen gemacht – sie hatten einen runtergewirtschafteten Hof gekauft   –, aber   … es war sinnlos, reine Zeitverschwendung. Dr.   Coll ist wirklich sehr beliebt: Er hat fünf Kinder und lädt die Leute in sein schönes Haus in der Evenjobb Road oder zu Gartenpartys ein. Ich bin bis heute nicht hundertprozentig sicher, dass   –»
    «Was ist mit dem Anwalt?»
    «Mr.   Weal und Dr.   Coll kennen sich