Die Fuenfzig vom Abendblatt
tief Luft. Das war nötig, denn er hatte bisher ohne Pause gesprochen. Jetzt ging es wieder weiter wie ein Uhrwerk, das neu aufgezogen ist: natürlich durfte der brave, biedere Feuerwehrmann in Ihrer Märchenkiste nicht fehlen. Mit Foto sogar, damit die Geschichte glaubhaft erscheint. Aber schön. Bis zu diesem Punkt ist das Ihre Sache —“
„---sehr freundlich, daß Sie mir immerhin zugestehen, in meiner Zeitung schreiben zu dürfen, was ich für gut halte-“
Der Dicke am anderen Ende hatte Luft schöpfen müssen. Nur dadurch war Hauptschriftleiter Sprinter zu Wort gekommen.
Aber jetzt hatte Dr. Malborn wieder neu aufgetankt und raste weiter: „-Wie gesagt, Ihre Sache! Aber es dürfte Ihnen bei der ganzen Geschichte wohl nicht aufgefallen sein, daß Sie mit Ihrem rührseligen Märchen die gesamte übrige Presse glattweg diffamiert haben. Sie wissen ganz genau, daß zum Beispiel der Nachtexpreß über das Konzert und diesen Peter von Bertelmann ebenfalls in höchstem Grade anerkennend berichtet hat. Durch die ‚Enthüllungen’, wie Sie es nennen, und vor allem durch das von Ihnen veröffentlichte Urteil Professor Beckmanns ist jetzt auch unser Bericht widerlegt. Wissen Sie, was das, in kurzen Worten ausgedrückt, heißt? Ganz einfach: Der Nachtexpreß lügt! Wenn Sie das natürlich auch nicht zu schreiben wagen, muß doch jeder Ihrer Leser so urteilen, wenn er die heutige Ausgabe des Abendblattes mit unserem gestrigen Bericht vergleicht. Ich verlange daher von Ihnen-“
Der dicke Chefredakteur des Nachtexpreß stand jetzt breitbeinig wie ein moderner Cäsar auf dem Teppich seines Arbeitszimmers: „—ich verlange von Ihnen, daß Sie mit der heutigen Ausgabe Ihrer Zeitung dasselbe tun wie gestern. Bringen Sie diese Nummer des Abendblattes nicht an die Öffentlichkeit! Ich warne Sie!“
Hätte der Dicke in diesem Augenblick Schriftleiter Sprinter sehen können, wie dieser in fröhlicher Stimmung und recht genießerisch in seinem Sessel saß, er wäre zerplatzt wie ein Autoreifen, den man zu lange an die Luftpumpe hält. Zum Glück sah er es nicht.
Und es blieb ihm auch verborgen, wie schon seit geraumer Zeit drei Jungen des Abendblattes ihre Köpfe und damit ihre Ohren ganz dicht zu dem Telefonhörer hingehalten hatten, den der Hauptschriftleiter in seiner Hand hielt. Er hatte nämlich Alibaba, Harald und Brille schon zu Beginn des Gesprächs an seinen Schreibtisch herübergewinkt. Es wäre ihm hartherzig erschienen, hätte er die Jungen vom Vergnügen dieser Unterhaltung ausgeschlossen. Im übrigen tat Dr. Malbrn ja alles, was in seinen Kräften stand, um diesen „Gemeinschaftsempfang“ am anderen Ende der Strippe auch zu ermöglichen.
„Selbstverständlich wird die heutige Nummer des Abendblattes erscheinen — “
Hauptschriftleiter Sprinter stellte das in aller Seelenruhe fest.
Für zwei oder drei Sekunden war jetzt Totenstille in der Leitung.
Sprinter blinzelte vergnügt zu Alibaba hinüber.
Da ließ sich wieder die Stimme Dr. Malborns hören. „Ist das Ihr letztes Wort?“
„Ich hoffe nicht. Ich gedenke noch einige Zeit zu leben und dementsprechend auch noch weiterhin zu reden.“ Klatsch! Das klang, wie wenn eine flache Hand auf den Tisch schlug.
Und jetzt wieder die Stimme vom anderen Ende: „Also Krieg?“
„Ich bin ein friedlicher Mensch. Ich halte nichts von Kriegen.“ Sprinter aalte sich geradezu in seiner Überlegenheit.
„Ich frage Sie ein letztes Mal: Erscheint die heutige Nummer des Abendblattes?“
Hauptschriftleiter Sprinter konnte nur erneut wiederholen: „Sie erscheint, Herr Kollege.“
„Gut! Also Krieg!“
Das knallte wie ein Pistolenschuß.
Und dann wurde die Verbindung mit einem lauten, hörbaren Knacks abgebrochen.
Hauptschriftleiter Sprinter legte nun auch seinerseits den Hörer zurück. Er tat es ausgesprochen sorgfältig.
Dann drückte er auf einen der Knöpfe am Rande seines Schreibtisches, und als daraufhin der Kopf seiner Sekretärin wieder in der halbgeöffneten Vorzimmertür sichtbar wurde, sagte er so, als bestelle er sich im Restaurant ein Glas Bier: „Sagen Sie Herrn Dreher im Maschinensaal, daß die heutige Nummer in doppelter Auflage ausgedruckt werden soll.“ Jetzt wandte er sich wieder den Jungen zu und zog dabei gemütlich an seiner Pfeife. „Es wird ernst, meine Herren.“
Alibaba trat vor Erregung von einem Bein aufs andere. Brille fingerte nervös an seinen Hemdknöpfen herum.
„Wir erscheinen heute in doppelter Auflage. Ihr
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