Die Fuenfzig vom Abendblatt
jede Voranmeldung stürzte ein junger, untersetzter Mann in den Raum. Er trug einen auffallend karierten Anzug und hatte eine Leica umgehängt.
Nun knallte er wie mit einem Fanfarenstoß seinem Chefredakteur vier noch druckfeuchte Zeitungsblätter auf den Schreibtisch. Es waren offensichtlich Korrekturabzüge der heutigen neuesten Nummer des Abendblattes.
Fritz Buschke war einer der findigsten Reporter des Hauses.
Der Stern seines Ruhmes war wie eine Rakete in die Direktionszimmer der Zeitung hinaufgestiegen, als er vor etwa einem Jahr ganze vierundzwanzig Stunden vor allen übrigen Kollegen die damals sensationelle Mordaffäre Schwabacher aufgeklärt und darüber berichtet hatte. Wie ihm das gelungen war, hatte bis heute noch niemand von ihm erfahren. Ebenso wie er es auch niemals verraten würde, auf welche Weise er heute zu diesen Korrekturabzügen gekommen war.
Eine Bulldogge, die man acht Tage von ihrem Freßnapf fernhielt, würde über ein erstes Stück Fleisch, das man ihr dann wieder vorwirft, auch nicht heißhungriger hergefallen sein, wie jetzt der dicke Chefredakteur des Nachtexpreß über die vier Blätter herfiel, die so plötzlich vor ihm auf seinem Schreibtisch lagen.
Die Zigarre blieb unbeachtet im Aschenbecher liegen und rauchte sich selbst zu Ende. Das Klingeln des Telefons wurde i|3C
nicht mehr gehört. Und als sich jetzt die Sekretärin an der Tür zum Vorzimmer sehen ließ, schlug ihr nur ein grimmiges Knurren entgegen.
Als Dr. Malborn alle vier Blätter bis zu Ende gelesen hatte und sich aufrichtete, griff er nach dem Telefon und verlangte sofort eine Verbindung mit Hauptschriftleiter Sprinter. Herr Sprinter saß in diesem Augenblick nichtsahnend in seinem Arbeitszimmer. Vor kaum fünf Minuten waren Alibaba, Harald und Brille bei ihm eingetreten. Sie waren inzwischen rechtskräftig von der Horde als ständige Abordnung für die Redaktionskonferenz des Abendblattes gewählt worden.
Sprinter aber war so etwas wie der Geschäftsführer dieser Konferenz. Sie machten also gerade bei ihm ihren Antrittsbesuch.
Als der Hauptschriftleiter ihnen gerade zu ihrer Wahl gratulieren wollte, schrillte das Telefon. Dabei öffnete sich gleichzeitig die Tür zum Vorzimmer. Sichtlich erregt erschien in deren Öffnung der Kopf der Sekretärin.
„Dr. Malborn vom Nachtexpreß —“
Der Anruf schien ihr so ungewöhnlich zu sein, daß sie es für ihre Pflicht hielt, den Hauptschriftleiter zu warnen, bevor er den Telefonhörer abnahm.
Und tatsächlich, Herr Sprinter war ebenfalls überrascht. Er pfiff kurz und scharf durch die Zähne, zog an seiner Pfeife, und dann erst ging er zum Apparat. Dabei setzte er sich, als er den Hörer abnahm, in seinem Sessel zurecht, so als würde er im Kino bei einem aufregenden Kriminalfilm Platz nehmen.
„Sprinter.“
Die Stimme am anderen Ende der Strippe mußte sich förmlich überschlagen. Es zischte und krachte in Sprinters Telefon wie in einem Radioapparat, dessen Empfang plötzlich durch ein Gewitter gestört wird.
„Entschuldigen Sie, Herr Kollege, ich verstehe kein Wort“, Sprinter konnte sich eines spitzbübischen Lächelns nicht erwehren.
Notgedrungen dämpfte Dr. Malborn am anderen Ende seine Stimme. Verstanden wollte er natürlich werden. Sonst hätte das ganze Telefongespräch ja keinen Sinn gehabt. Er holte also tief Luft und begann von neuem. „Ich lese soeben die heutige Ausgabe Ihres Abendblattes und dabei-“
Sprinter fiel ihm ins Wort und stellte fest, daß das wohl kaum möglich wäre. Die heutige Ausgabe befinde sich ja noch im Druck. Es würden lediglich die Korrekturabzüge vorliegen.
„Und eben diese Korrekturabzüge habe ich vor mir auf meinem Schreibtisch —“ Der Dicke sagte es nicht ohne eine tiefe Genugtuung.
Nun wollte Sprinter wissen, wie der Herr Kollege zu diesen Korrekturabzügen gekommen sei.
„Das geht Sie einen nassen-“, hier korrigierte sich Dr. Malborn mitten in seinem Satz und fuhr fort: „Interessiert jetzt nicht! Tatsache ist, ich habe Ihre heutige Ausgabe gelesen. Vor allem Ihre erste Seite. Ich bin empört! Das ist ja niederträchtig! Die Pharisäer in der Bibel sind Waisenknaben gegen Ihre einfaltige Art, in einer Zeitung zu predigen! Sie tun ja so, als hätten Sie die Wahrheit und die Anständigkeit allein für sich gepachtet! Und dabei noch das rührende Märchen mit Ihren Zeitungsjungen! Treten in Sitzstreik, weil da irgendwo ein nebensächlicher Konzertbericht nicht ganz in Ordnung sein soll
Der Dicke holte
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