Die Fuenfzig vom Abendblatt
sie an und blickte noch einmal nach allen Seiten um sich. Dann ging er auf die Telefonzellen zu und verschwand hinter einer der Türen. Und zwar hinter der zweiten von links.
Es dauerte genau siebzehn Minuten, bis Bulle wieder ins Freie kam. Er sah sich jetzt weiter nicht mehr um, ging nur auf sein Fahrrad zu und tigerte los.
Kurz danach erschien auch Mario. Er vergewisserte sich, daß der Chef der Nachtexpreß-Ausfahrer außer Sichtweite war, dann ging er zum Eingang der U-Bahn.
Jetzt stand auch Harald auf und verließ das Café Josty im Laufschritt.
„Donnerwetter, hat der’s plötzlich eilig“, piepste das Fräulein mit der weißen Schürze. „Aber bezahlt hat er ja und das ist schließlich — “ Mitten im Satz blieb ihr jetzt der Mund offenstehen.
Jetzt sprang nämlich auch ein Herr in einem grauen Gummimantel auf. Dieser Herr, der etwas untersetzt war, hatte bisher im Hintergrund des Cafes gesessen und eine Zeitung gelesen.
„Wiederschaun!“ grüßte er noch und verschwand eilig durch die Tür.
Harald war inzwischen quer über die Straße gerannt und steuerte jetzt ebenfalls, wie kurz zuvor Mario, auf den Eingang der U-Bahn zu.
Der untersetzte Herr im Gummimantel hatte sich vor dem Café Josty auf ein Motorrad geschwungen. Es war eine 250er DKW. Er fuhr langsam an und verfolgte Harald mit den Augen, bis er erkannte, daß der Junge zur U-Bahn wollte.
Da quietschte die DKW unter der ruckartig gezogenen Bremse auf wie ein geschlagener Hund. Der Mann im grauen Gummimantel sprang aus dem Sitz, als hätte der Benzintank Feuer gefangen, und rannte in weiten Sprüngen über die Straße. Als er dann die Treppe zur U-Bahn hinuntergestürzt und an all den Menschen vorbei endlich durch die Sperre geschossen war, sah er nur noch die letzten Wagen des davonfahrenden Zuges im Dunkel des Tunnels verschwinden. Von dem Jungen mit seinem roten Rollpullover war weit und breit nichts mehr zu sehen.
Harald saß inzwischen mit Mario im letzten Abteil der U-Bahn. Die beiden Jungen hatten sich kurz vor der Abfahrt noch durch eine Tür des letzten Wagens klemmen können.
Sie hatten das Abteil für „Reisende mit Gepäck“ erwischt. Der schmale, niedere Raum war ziemlich leer. Lediglich zwei ältere Frauen saßen mit Körben und Kartons in einer Ecke, und ein Mann in grauer Manchesterhose, der wohl gerade von der Arbeit kam und einen Kasten bei sich hatte, saß müde auf einer Bank und schien zu schlafen.
Die beiden Jungen hockten eng beisammen. Keiner sprach ein Wort. Sie schauten durch das schmale Fenster an der Rückwand des Wagens auf die Gleise, die im Schein eines schwachen Lichtes immer schneller im Dunkel des Schachts verschwanden.
„Er will unbedingt, daß es schon heute abend passiert
Mario sagte es, ohne Harald anzusehen.
„Das da hat er mir gegeben. Es sei genau das, was ich brauchte. Und hundertfünfzig Mark will er mir geben, wenn alles klappt — “ Der junge Italiener hatte aus einem Stück einer alten Zeitung ein Messer ausgepackt, dessen blanke Klinge frisch geschliffen war. Er hielt das Ding so, daß nur Harald es sehen konnte.
„Er denkt an alles. Wirklich. Nichts zu sagen----“ Harald
nahm dabei das Messer samt dem Zeitungspapier. Er prüfte mit seinem Daumen die Schärfe der Klinge.
„Und es war nicht möglich, die ganze Geschichte auf morgen zu verschieben —?“ fragte er jetzt.
Mario Potini sah voll in Haralds Gesicht.
„Er hat sich auf nichts eingelassen. Heute abend, sagte er.
Er müsse darauf bestehen. Er drohte mir sogar---“
Harald pfiff ganz leise durch die Zähne.
„Ich sei ganz in seiner Hand. Was ich ihm bisher verraten hätte, sei mehr als ausreichend Jetzt erst merkte Harald, daß Mario Angst hatte. Im Tunnel mußte irgendeine Baustelle hell erleuchtet gewesen sein. Deren Licht hatte für eine oder zwei Sekunden grell und blitzartig durch das schmale Fenster geleuchtet.
„---du, Harald — ich glaube, das geht nicht. Ich meine,
was ich jetzt tun soll. Es ist besser, wir sagen jetzt alles---“
Der schlanke, schwarze Junge zog die Schultern hoch, als ob es kalt wäre. Seine Augen waren groß und beinahe bittend auf Harald gerichtet. In diesem Augenblick fuhr der Zug in die Station ein. Die Türen sprangen auf und ließen den Lärm des Bahnhofs ins Abteil.
Jetzt stieg der Mann mit seiner Manchesterhose und dem Kasten aus. Kurz danach setzte sich der Zug wieder in Bewegung. Vom hellerleuchteten Bahnhof ging es wieder in den dunklen Schlauch des
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