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Die Fuenfzig vom Abendblatt

Die Fuenfzig vom Abendblatt

Titel: Die Fuenfzig vom Abendblatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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besprechen. Im Augenblick deute ich nur an, daß unsere morgige Nummer die Leserschaft voll und ganz über das Ausbleiben der heutigen Auflage unterrichten wird. Und es wird neben der Tatsache, daß unser Abendblatt unbeschmutzt aus dieser Sache hervorgeht, seinen Ruf nur fördern, wenn man lesen wird, daß wir eine Auflage unserer Zeitung nur deshalb zurückbehalten haben, weil wir im letzten Augenblick noch feststellen konnten, daß ein Bericht abgedruckt worden war, dessen Inhalt nicht den Tatsachen entspricht. Redet heute die ganze Stadt vom Ausbleiben des Abendblattes, so wird sie morgen abend von seinem Bemühen sprechen, immer die Wahrheit zu sagen. Und das ist nicht die schlechteste Propaganda!“
    Jetzt applaudierte der ganze Saal. Und da die Jungen nicht annehmen konnten, daß dieser Beifall nur ihnen galt, klatschten sie herzhaft mit.
    Da stand plötzlich der Hauptschriftleiter Sprinter auf. Und weil man ihm kein Gehör gab, sprang er auf seinen Ledersessel, so daß er von jedermann gesehen werden konnte.
    „Mister Voss, ich stelle im Namen aller Versammelten den Antrag — “, das klang wie in einer Parlamentssitzung des Unterhauses, „-daß ab sofort zur Erinnerung an den heutigen Tag drei Vertreter der Abendblatt-Jungen in unserer Redaktionskonferenz ständig Sitz und ständige Stimme haben!“ Lachend hob der Allgewaltige zum Zeichen der Zustimmung seine Hand, und alle anderen folgten seinem Beispiel. „Ich stelle fest, der Antrag ist einstimmig angenommen!“ Erneut schlug begeisterter Beifall über die ganze Länge des Konferenztisches zusammen! Alibaba aber erhob sich und verbeugte sich nach allen Seiten, wobei ihm seine roten Haare in die Stirn fielen. Im übrigen war sein Gesicht ohne jede Gefühlsäußerung und ganz undurchsichtig.
    Dabei dürfte diese Wahl in der Geschichte der Zeitungen aller Welt wohl einmalig gewesen sein.
    Freilich, ein freundliches, konventionelles Lächeln wäre vielleicht angebracht gewesen. Wenn man Politiker von Bedeutung in den Zeitungen abgebildet sah, lächelten sie stets. Zum Beispiel gestern die englische Königin auf dem Foto vom Stapellauf eines neuen Passagierdampfers.
    Als der Allgewaltige von dieser nächtlichen Konferenz eine halbe Stunde später nach Hause gehen wollte und sich zu diesem Zweck seinen Hut von der Garderobe nahm, fand er in diesem Hut einen kleinen weißen Zettel.

Bulle spioniert

    Bulle stellte sein Fahrrad in eine ziemlich dunkle Toreinfahrt. Dann ging er langsam über die Straße auf ein kleines Ladengeschäft zu.
    Es war ein Eckhaus, und die schmalen Schaufenster des Ladens lagen kaum mehr als einen halben Meter über dem Asphalt des Gehsteiges. Zur Eingangstür führten ein paar ausgetretene Stufen wie in einen Keller. Über der Tür hing ein sehr blankgeputztes Messingschild.
    „Enrico Potini — Bücher aller Art“
    Als Bulle jetzt eintrat, schnarrte eine leise Klingel durch den niederen Raum. Aber dieses schwache Geräusch genügte, um augenblicklich den Besitzer des Geschäftes hinter einem roten Plüschvorhang hervorzurufen.
    Enrico Potini war ein altes, gebeugtes Männchen, das etwas mehr als sechzig Jahre alt sein mochte. Er trug um diese frühe Tageszeit noch einen wollenen Hausrock, und seine Füße steckten in großen, weichen Kamelhaarpantoffeln. An Bücherstapeln und Regalen vorbei kam er jetzt nach vorn.
    „Ach, jetzt erkenne ich Sie wieder, guten Morgen! Der Herr von gestern abend. Sehr freundlich, daß Sie sich noch einmal die Mühe gemacht haben. Ja, jetzt ist mein Sohn zu Hause. Wenn ich bitten darf — Prego signore!“
    Dabei bat er den Besucher mit einer einladenden Handbewegung in die Richtung des Plüschvorhanges.
    „Mario! Mario! Der Signor von gestern abend!“
    Herr Potini griff jetzt in das Tuch des Vorhangs, schob ihn zur Seite.
    „Bitte sehr, wenn Sie eintreten wollen. Mario wäscht sich noch. Er ist erst sehr spät nach Hause gekommen. Sie müssen entschuldigen
    Vater Potini wies Bulle jetzt einen der hohen, etwas altertümlichen Lehnstühle an.
    Dieses Zimmer schien Küche und Wohnstube zugleich zu sein. Auf dem kleinen Gasherd, der neben einer schmalen Kommode in der Ecke stand, pfiff jetzt ein Wasserkessel, und der Alte beeilte sich, den Topf vom Feuer zu nehmen und die Gasflamme abzudrehen.
    Als er das kochende Wasser in eine Kanne goß, trat Mario durch einen schmalen Korridor in den Raum. Sein Hemd war noch nicht zugeknöpft und stand über der Brust offen.
    Die plötzliche Anwesenheit des

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