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Die Gabe der Magie

Die Gabe der Magie

Titel: Die Gabe der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Duey
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SADIMA DAS NÄCHSTE MAL ENTLOHNT WURDE,
KAUFTE SIE EIN NEUES PAAR SCHUHE. ES WAR SO ANGE NEHM, eine vernünftige, kräftige Ledersohle zwischen den
Füßen und dem Kopfsteinpflaster zu haben. Sie raute die Schuhe auf, damit sie
nicht so neu aussahen. Falls Franklin oder Somiss etwas bemerkten, mussten sie
annehmen, dass Sadima sie mitgebracht hatte. Keiner von beiden verlor ein Wort
darüber.
    Auf dem Weg zur Arbeit und wieder zurück
übte sie die drei Lieder, die Rinka ihr beigebracht hatte. Sadima hatte sie
auch gefragt, wann und warum sie gesungen wurden, und die Antworten waren
interessant gewesen. An dem Abend, an dem sie
sicher war, dass sie alle Wor te kannte, sang sie sie Somiss vor, während
sich Franklin um die Suppe kümmerte, die sie fürs Abendessen zubereitete.
    »Mit diesem Lied beruhigt man kleine
Kinder, damit sie einschlafen können«, sagte sie nach dem ersten. Er bat sie,
es noch einmal zu wiederholen, langsamer dieses Mal, und er schrieb die Worte
auf. Dann trug sie das zweite vor. »Dieses singt man über den Weizen- und
Gerstensamen, ehe sie gepflanzt werden.«
    »Hat deine Familie irgendetwas Derartiges
getan?«, fragte Somiss. Seine Augen huschten fiebrig über ihr Gesicht, dann hinauf
zur Decke, zur Kerze, die zwischen ihnen stand, und wieder zurück.
    »Nein«, antwortete Sadima. »Aber das sind
Lieder der Zigeuner, und vielleicht …«
    »Zigeuner?« Er schob die Kerze beiseite
und beugte sich über den Tisch, um sie am Unterarm zu packen.
    Sadima nickte. »Ja. Rinkas Mutter war eine
Zigeunerin. Das ist einer der Gründe, warum ich dachte, dass dich die Lieder
interessieren würden.« Ihr Blick wurde von einer flüchtigen Bewegung abgelenkt,
und sie sah Franklin hinter Somiss stehen. Er schüttelte den Kopf, und sie
fühlte sich dumm. Natürlich. Somiss würde zornig werden, wenn er wüsste, dass
Franklin mit ihr über die Sprache der Zigeuner geredet hatte. Es kam so selten
vor, dass er mit ihr mehr als drei Worte wechselte, dass sie nie daran gedacht
hatte, irgendetwas geheim halten zu müssen.
    Somiss beugte sich vor. »Sing es noch
einmal. Ganz langsam.«
    Sadima setzte an und hielt dann inne,
während sie zusah, wie Franklins Feder über das Papier kratzte. Als er fertig
war, legte er den Kiel beiseite. »Es gibt noch eins? Ist das auch ein
Zigeuner-Lied?«
    Sadima nickte. »Rinkas Mutter hat es ihr
beigebracht. Sie heiratete Rinkas Vater gegen den Willen des gesamten Clans.
Niemand kam sie je besuchen, nicht einmal, als …«
    Somiss schlug auf den Tisch und brachte
sie damit zum Schweigen.
    »Wann wurde dieses Lied gesungen?«
    Sadima biss sich auf die Lippen und war
aufgebracht, bis sie die Sorge auf Franklins Gesicht sah. Somiss war so dünn,
so müde. »Wenn jemand starb«, antwortete sie. »Rinka sagte, es diente dazu, den
Geist derer, die man liebt, nahe bei sich zu halten.«
    Somiss machte eine ungeduldige Geste.
»Sing es.«
    Und so sang Sadima dieses letzte Lied
immer und immer wieder, bis Somiss zufrieden war, weil er die Worte richtig
aufgeschrieben hatte.
    »Danke, Sadima«, sagte Franklin, als
Somiss aufstand und davonging, ohne ihr auch nur einen Blick zu gönnen.
    Sadima schüttelte den Kopf, als sie hörte,
wie die Tür hinten im Flur geöffnet und wieder geschlossen wurde. »Er muss
etwas essen.«
    Franklin zuckte mit
den Schultern. »Er hat ein bisschen was zu sich genommen, da bin ich beinahe sicher,
auch wenn er es nicht zugibt. Und er wird das Fasten bald leid sein. Seine Interessen
sind gewöhnlich sehr intensiv und
…« Franklin hielt inne, fuhr aber nicht mehr fort.
    »Es ist, als wenn er
weiter und weiter wegtreibt«, sag te Sadima. »Die Hälfte der Zeit bemerkt er uns beide gar nicht.«
    Franklin nickte. »Seine Gedanken rasen
immer schneller, sagte er. Ich wünschte, ich könnte ihn dazu bringen, etwas zu
essen. Er ist zu dünn.«
    »Genau wie du«, sagte Sadima. »Hat er dich
überredet, ebenfalls zu fasten?«
    Franklin sah durch die Balkontür hinauf in
den Himmel. »Frag Rinka, ob sie bald mal einen Tag auf dich verzichten kann.
Vielleicht können wir ihn dazu bringen, mit nach draußen zu kommen und durch
die Wälder zu streifen, wie wir es als kleine Jungen getan haben. Dann wird
sein Appetit schon über seinen Willen siegen.«
    Sadima nickte und musterte im Schein der
Stumpenkerze die ihr zugewandte Seite von Franklins Gesicht. »Bitte versprich
mir, dass du dich nicht zu Tode hungerst, Franklin«, sagte sie mit leiser
Stimme. Er drehte sich in

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