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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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drei sind praktisch identisch. Es muss sich um eineiige Drillinge gehandelt haben.
    Laut unseren Recherchen sind die drei Geschwister ohne Kenntnis voneinander aufgewachsen. So unglaublich diese Geschichte klingen mag, gibt es noch eine Steigerung. Am vergangenen Sonntagabend wurde im Edvard-Munch-Museum in Oslo ein Verdächtiger namens Bo Johansen festgenommen. Seine Personenbeschreibung gleicht der von Lovecraft, Daniels und der Louvre-Leiche aufs Haar. Nach Bekanntwerden des am selben Abend verübten Gemälderaubes in der Mü nchener Alten Pinakothek wurde J ohansen mangels hinreichender Verdachtsmomente wieder auf freien Fuß gesetzt. Seine Personalpapiere seien einwandfrei gewesen.
    Unser Informant von Scotland Yard bezeichnete das Vorgehen der norwegischen Kollegen, diplomatisch ausgedrückt, als »vorschnell«. Man habe womöglich einen Lockvogel laufen lassen, der die Behörden zu dem eigentlichen Drahtzieher der vermutlich terroristischen Anschlagserie hätte führen können. Auch die Osloer Polizei muss zu dieser Ansicht gelangt sein, denn sie hat versucht, Johansen in seiner Wohnung im Stadtteil Kampen zum Zwecke einer weiteren Befragung aufzusuchen. Bisher ohne Erfolg. Man müsse davon ausgehen, dass er untergetaucht sei, teilte uns die Polizeisprecherin, Anne Smedsrud, mit. Jedoch habe man eine DNA-Probe des Verdächtigen sicherstellen können, die derzeit untersucht werde. In etwa drei Tagen sollen die Ergebnisse vorliegen.
    Schon jetzt stellt sich die Frage, welche Schlüsse zu ziehen sind, wenn der genetische Fingerabdruck des Osloer Verdächtigen mit denen der drei Zwitter identisch ist. Wie viele eineiige Geschwister kann ein Mensch haben? Was steckt hinter den Anschlägen auf Daniels’ Leben? Der Mirror wird Sie auf dem Laufenden halten.
    susan.winter@mirror. co.uk
     
    Alex war wie betäubt. Der Artikel stellte einen ungeheuerlichen Vertrauensbruch dar. Kein Wunder, dass ihre aktuelle Pressemitteilung in der Redaktion des Mirror ausgebremst worden war. Man wähnte sich im Besitz einer besseren Story. Hätte Susan sie nicht wenigstens warnen können?
    Tröpfchenweise träufelte Alex’ Verstand klarere Gedanken in ihr von trüben Gefühlen überschwemmtes Bewusstsein: Was ist, wenn deine jüngste Folge der »Lügengalerie« irgendwo in der Redaktion verschollen ist, bevor Susan sie zu Gesicht bekam? Vielleicht war sie zu beschäftigt… Oder auf der Suche nach dir? Sie hatte ja geschrieben, du seist verschwunden, rechnete sogar mit deinem Tod. Vielleicht hat sie versucht, dich zu erreichen. Aber Longfellow ist stur. Er wird nichts rausgelassen haben. Und du besitzt nicht mal ein Handy. Außerdem, wie gut waren Susan und ich denn wirklich befreundet? In den letzten zwei Wochen haben wir mehr miteinander kommuniziert als sonst vielleicht in einem ganzen Jahr. Bist du nicht selbst daran schuld, wenn du keinem vertrauen kannst…?
    Alex merkte, dass sie wieder in den gefährlichen Strudel aus Selbstvorwürfen geriet, der sie schon oft in tiefe Depressionen gezogen hatte. Mittlerweile kannte sie einige Strategien, um dagegen anzukämpfen.
    Eine davon hieß reden.
    Sie holte sich Lucys Telefon an den Küchentisch. Es war – wie wohltuend! – altmodisch, soll heißen, wie Alex’ eigenes an eine lange Schnur gefesselt. Sie wählte die Nummer ihrer Freundin in der Redaktion.
    »Guten Morgen. Daily Mirror. Sie sprechen mit Pamela Miller. Was kann ich für Sie tun?« Das nasale Leiern am anderen Ende der Leitung war Alex nicht fremd. Es entstammte der meistens Kaugummi kauenden Redaktionssekretärin.
    »Guten Morgen, hier ist Alex Daniels. Ich möchte gerne Susan sprechen.«
    Am anderen Ende der Leitung herrschte Stille.
    »Hallo?«, rief Alex.
    »J-ja…«, stotterte Miller. »Ich bin noch dran. Warten Sie bitte. Ich verbinde Sie mit Mrs Billings.«
    Es knackte, schauderhafte Musik dudelte, dann meldete sich Susans Ressortleiterin.
    »Emma Billings.« Die Stimme klang angespannt.
    »Daniels«, knurrte Alex genervt. »Guten Morgen. Ich muss dringend Susan Winter sprechen.«
    »Das ist leider unmöglich. Worum geht es denn?«
    »Ich würde lieber persönlich mit ihr darüber reden.«
    »Geht es um irgendeinen Beitrag unserer Redaktion?«
    »Auch.«
    »Welchen?«
    »Wie gesagt, wenn Sie mich mit Ms Winter verbinden…«, versuchte es Alex abermals, wurde aber von einer merklich angespannten Mrs Billings unterbrochen .
    »Hören Sie, auch wenn es unhöflich klingen mag, aber ich kann Ihnen Ms Winter nicht

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