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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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bieten?«
    Alex erzählte, wie sie sich ihre Pressemitteilung vorstellte. Die Nachricht von ihrer Freilassung und die Zusammenhänge mit den Einbrüchen in Paris, London und Wien sollten den Schneeball bilden, der eine Lawine auslöste. Die Medien gierten nach Sensationen. Verschwörungstheorien standen hoch im Kurs. Der jüngste Einbruch in der National Gallery sei ein Geschenk. Die Gazetten würden, abgesehen von den Abendblättern, ohnehin erst morgen darüber berichten. Wenn sie, Alex, es richtig anpackte – und so viel Schreibtalent traute sie sich durchaus zu –, dann würden sich die Zeitungen und Sender um die Story schlagen.
    »Klingt viel versprechend«, sagte Susan lahm, nachdem sie sich das Konzept angehört hatte.
    »Da gibt es noch etwas.«
    »Raus damit.«
    »Du hast mir vor einer Woche doch diesen Zeitungsartikel von dem Autounfall am Blackwall-Tunnel gegeben.«
    »Ja. Was ist damit?«
    »Diese Terri Lovecraft ähnelt mir wie ein eineiiger Zwilling.«
    »Wem sagst du das! Aber du hast ja keine Geschwister.«
    »Zumindest haben mir meine Adoptiveltern nie von solchen erzählt. Heute früh sagte mir Longfellow… «
    »Der schwarze Bursche, der dich festgenommen hat?«
    »Ja. Ich hatte letzte Woche eine DNA-Probe abgeliefert, um diese mit dem genetischen Fingerabdruck der Leiche aus dem Louvre vergleichen zu lassen. Heute Morgen kam also dieser Superintendent zu mir und behauptete, dass ich so etwas wie ihr Zwilling bin.«
    »Ihr? Ich dachte immer, der Einbrecher sei ein Mann gewesen.«
    Alex musste ihre Zunge befeuchten, um das aussprechen zu können, was seit annähernd zwei Stunden wie ein Propeller in ihrem Kopf rotierte. »Wenn ihre DNA, wie Longfellow sagte, fast einhundertprozentig mit meiner identisch ist, dann muss sie so sein wie ich.«
    »Und warum erwähnst du den Unfallbericht…? Halt mal, du denkst doch nicht etwa, die Tote vom Blackwall-Tunnel könnte was damit zu tun haben?«
    »Warum nicht?«
    »Na, diese… Wie hieß sie doch gleich…?«
    »Terri Lovecraft.«
    »Richtig. Sie ist ein paar Tage vor dem Louvre-Anschlag verunglückt.«
    Wieder zögerte Alex. Sie wusste, wie abenteuerlich ihre Überlegungen klingen mussten. »Nur mal so ins Unreine gedacht«, begann sie dann aber doch. »Könnte es nicht sein, dass Lovecraft gar nicht im Auto saß? In eurem Artikel stand lediglich, die Leiche sei völlig verkohlt gewesen. Man konnte nicht einmal ihre Fingerabdrücke untersuchen. Sie wurde nur anhand ihrer persönlichen Gegenstände identifiziert.«
    Diesmal kam das Schweigen von der anderen Seite der Leitung. Nur Susans Atem war zu hören.
    »Worüber denkst du nach?«, fragte Alex, als ihr das Warten zu lang wurde.
    »Du musst mit der Story an die Öffentlichkeit. Zu schade, dass du sie nicht dem Mirror exklusiv anbieten willst.«
    »Terri Lovecrafts Namen sollten wir vielleicht vorerst ungenannt lassen. Wäre es dir möglich festzustellen, ob man ihre Identität anhand eines genetischen Fingerabdrucks überprüft hat?«
    »Kein Problem. Ich habe eine Quelle beim Yard. Mein Informant ist zwar nicht für Verkehrsunfälle zuständig, aber wenn es solche Daten gibt, kommt er auch ran.«
    »Dann werde ich sie in meinem Presseartikel zunächst aussparen. Ich könnte von einem bisher unbekannten Zwilling sprechen und weitere Enthüllungen ankündigen.«
    »Tu das. So was kommt immer gut.«
    »Wenn du was Neues für mich hast, lass das Telefon dreimal klingeln, leg auf und wähle dann erneut.«
    »Du bist paranoid, weißt du das?«
    »Ja. Und für die nächsten Tage vermutlich ziemlich schwer beschäftigt.«
    »Soll mir recht sein. Oh, Schatz, ich kann noch gar nicht in Worte fassen, was du in mir ausgelöst hast! In meinem Kopf sind plötzlich so viele Gedankenverbindungen.«
    Alex lächelte. »Irgendwie beruhigend, dass es nicht nur mir so geht.«
     
     
    Schon als sie im Gefängnis die Fotografien von den Tatorten und Kunstwerken gesehen hatte, waren die beunruhigenden Gedanken wie eine Vision über sie gekommen, anfangs nur als schwaches Bild hinter den Nebelschwaden des Zweifels, aber mit dem Hermaphroditus nobilis waren die verhüllenden Schleier schlagartig fortgeweht worden.
    Sie hatte von dem griechischen Original der Marmorplastik aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus gelesen. Plinius der Ältere erwähnte sie in seiner monumentalen Naturalis historia, der wohl ältesten Enzyklopädie über die Erscheinungen der Natur. Alex hätte allzu gerne gewusst, ob der römische Autor der

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