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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Alex Daniels von dem Spiegel gewusst haben konnte. Sie hatte es im Gefängnis wie eine Rechenaufgabe dargestellt: Sie habe nur eins und eins zusammengezählt. Der Spiegel sei das beherrschende Traumsymbol in Magrittes Gemälde vom unachtsamen Schläfer. War es wirklich so einfach?
    Er überquerte den Trafalgar Square. Es war noch zu früh für die Touristen, um die Scharen von Tauben zu füttern, die um das Nelson Monument herum den Platz bevölkerten. Darwin griff zu seinem Handy und wählte die Nummer von Longfellow. »Morgen, Mortimer. Hier ist die Nervensäge von ArtCare.«
    »Darwin! So früh schon auf den Beinen?«
    »Wenn die Diebe n icht schlafen, wie könnten wir’ s da tun?«
    »Da haben Sie wohl Recht. Ich komme gerade aus Holloway.«
    »Sie waren bei Daniels?«
    »Ja. Wir können sie nicht länger festhalten, weil…«
    »Ich bin im Bild. Dr. Cadwell hat mich aufgeklärt.«
    »Ihr Boss und der meine scheinen Blutsbr u derschaft geschlossen zu haben. Gefällt mir gar nicht, dass ein Zivilist ständig dazwischenfunkt.«
    »Ich bin auch einer, Mortimer.«
    »Das ist was anderes. Sie waren bei der Militärpolizei Ihrer Majestät.«
    »Wäre trotzdem ein feiner Zug gewesen, wenn Sie mich früher über die Auswertung der genetischen Fingerabdrücke von Daniels und der Leiche aus dem Louvre informiert hätten.«
    »Bin selbst davon überrascht worden, als der Generaldirektor mich heute früh aus dem Bett geklingelt hat.«
    »Sie meinen den obersten Chef der National Crime Squad?«
    »Kein Geringerer als Sir Walter H. Ramleigh. Fragen Sie mich nicht, warum die Sache so weit oben aufgehängt ist. Ich weiß es nicht.«
    »Der Doktor«, murmelte Darwin.
    »Was haben Sie gesagt?«
    »Da steckt bestimmt Martin Cadwell dahinter. Er fürchtet, die Einbruchsserie könnte das Vertrauen von Kunden und Anlegern in ArtCare erschüttern. Scheint nicht ganz unbegründet zu sein. Ich denke, wir sollten mal in dieser Richtung ermitteln. Vielleicht hat da jemand ein falsches Verständnis von Wettbewerb und Marktwirtschaft.«
    »Wäre möglich. Ich werde jemand darauf ansetzen. Treffen wir uns in der Gallery?«
    »Ja. Bin schon auf der Treppe am Säulenvorbau.«
    »Wie immer von der schnellen Truppe, was? Also dann bis gleich.«
    »Man sieht sich.« Darwin beendete das Gespräch, steckte das Mobiltelefon in seine Jackentasche zurück und betrat Großbritanniens bedeutendste Sammlung alter Meister.
    Wie in die Jahre gekommene Filmstars sich ab und an unter das Messer eines Schönheitschirurgen legen, um für das Publikum attraktiv zu bleiben, so unterzog sich auch die National Gallery gerade einer umfassenden Verjüngungskur, die auch den nördlichen Trafalgar Square nicht verschonte. Seit der Tate Modern stemmte die Nation hier unter Lord Nelsons wachsamen Augen ihr ehrgeizigstes kulturelles Bauprojekt. Darwin fragte sich, ob es da einen Zusammenhang zum Gemälderaub geben könnte. Jeder Umbau erforderte die Erstellung vieler neuer Pläne. Auch die Sicherheitstechnik muss auf den Prüfstand. Unterlagen, die sonst im Safe lagerten, werden hin und her gereicht.
    Er durchschritt die Säulen des Portikus, der dem Museum das Aussehen eines antiken griechischen Tempels verlieh. Am Haupteingang empfing ihn eine ernste junge Dame, die Miller hieß. Sie führte ihn durch den eher nüchternen Eingangsbereich in ein Treppenhaus aus verschiedenfarbigem Marmor. Diesem schloss sich die große, längliche Zentralhalle an. Durch das gewölbte Glasdach des rechteckigen Saals fiel mattes Morgenlicht auf Blattgold, pfirsichfarbene venezianische Tapete und natürlich auf die großen Meister der Renaissance. Darwin entdeckte den Tod des Aktäon von Tizian, der ebenfalls bei ArtCare versichert war.
    Warum der Rubens?, fragte er sich. Sie müssten denken wie diese Leute, um das zu verstehen. Die rätselhafte Bemerkung der Journalistin ging ihm nicht aus dem Kopf.
    Endlich gelangten sie in die großzügigen, mit weißen Stuckdecken verzierten Räume, die den Künstlern des siebzehnten Jahrhunderts gewidmet waren. Die ernste junge Dame verabschiedete sich am Eingang eines Saals, durch den sich seltsam gekleidete Gestalten bewegten. Sie trugen extrem weite Anzüge, Überzieher an den Füßen und Hauben auf dem Kopf – alles in Weiß. Die Spurensicherung der National Crime Squad. Darwin entdeckte ein bekanntes Gesicht.
    »John!« Er winkte dem Beamten zu.
    Detective Constable John Spencer gehörte zu Longfellows Team. Er war ein schwergewichtiger Typ mit

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