Die Gassen von Marseille
auch kaum erwarten, bis du wieder in unser Haus zurückkannst, aber im Moment ist es da einfach viel zu gefährlich für dich, quicou. Du steckst in einem riesigen Schlamassel!«
Dann fügt sie, an Claudia gewandt, freundlich hinzu: »Weißt du, nine, Constantin ist ganz unkompliziert … Und mach dir keine Sorgen, er kann gut kochen … Auch wenn er jetzt gerade schmollt, das geht vorbei. Normalerweise ist er sehr nett. Der beste Beweis dafür ist, dass er es mit einer alten Schachtel wie mir aushält.«
Angesichts unserer betretenen Mienen bricht Philippe in lautes Gelächter aus.
»Wartet! Es gibt da noch ein kleines Problem«, werfe ich ein. »Heute Nacht hat sich eine Katze in meine Wohnung geschlichen und sieben Junge bekommen …«
Esther erklärt sich bereit, die Tiere zu versorgen.
»Mach dir keine Sorgen, ich liebe Katzen …«
Dann verschwinden die beiden, Arm in Arm wie zwei novis … Wir bleiben allein zurück. Claudia spielt mit den Zuckerwürfeln in der kleinen Schale.
»Also gut!«, sage ich nach einer Weile. »Was machen wir jetzt?«
Sie zerquetscht einen Zuckerwürfel. Dann blickt sie auf.
»Wir gehen zu mir. Was bleibt uns schon anderes übrig? Ich soll Sie verstecken, oder etwa nicht? Also machen wir uns auf den Weg.«
Sie fährt einen schwarzen Clio, den sie auf dem Parkplatz des Évêché abgestellt hat.
»Wo wohnen Sie denn?«, frage ich.
»Rue Nau in La Plaine.«
»Kenne ich.«
Ich habe mal in dem Viertel gewohnt … Am oberen Ende dieser langen, schmalen Straße gibt es ein winziges Theater namens »Théâtre Nau«. Vor Jahren bin ich dort in der Weihnachtszeit immer hingegangen, um mir »La pastorale Maurel« anzusehen. In diesem 1842 von ihm verfassten Meisterwerk hat der berühmte Spiegelmacher Maurel für alle Zeiten die wichtigsten provenzalischen Krippenfiguren, die sogenannten santons, festgelegt, die Hauptfiguren dieses Marseiller Bibelstücks.
Ich bin immer gerne in dieses winzige Theater gegangen mit seinem Balkon, seinen Rokoko-Dekorationen und den zwei Musikern – einem Schlagzeuger und einem Pianisten. Letzterer ist so alt, dass man ihn zu seinem Instrument tragen muss. Die Schauspieler sind alle Rentner. Nur der Initiative eines Priesters ist es zu verdanken, dass das Theater noch nicht geschlossen wurde. Der Eintritt kostet fünfzehn Francs.
Das ist nicht teuer für fünf Stunden Operette und drei Pausen. Und im Eintrittspreis ist auch noch eine Tombola inbegriffen. Gut, die Gewinne sind nicht gerade das …
Die Toiletten befinden sich in der benachbarten Grundschule. Man muss einmal quer über den Hof gehen … Da stehen dann all die älteren Herren in ihren schönen Anzügen und pinkeln in winzige Kinderurinale …
Was für ein Anblick.
In dem Theater habe ich auch »Bouillabaisse und Co.« gesehen, »Der Mann von der Canebière« und »Eine kleine Hütte«. Ich singe meiner neuen Vermieterin ein Stück daraus vor.
»O wie schmeckt die Bouillabaisse so gut
Großer Gott, sie schmeckt so gut
O wie schmeckt die Bouillabaisse so gut
Großer Gott, sie schmeckt so guuuut! «
Sie lacht, das steht ihr.
»Es sieht schön aus, wenn Sie lachen … Sie sind sehr hübsch!«
Keine gute Idee.
Abrupt bleibt sie stehen und sieht mich streng an.
»Monsieur Constantin. Machen Sie sich ja keine Hoffnungen. Sie übernachten bei mir, nun gut … Aber das ist auch alles, haben wir uns verstanden? Es kommt überhaupt nicht in Frage, dass wir irgendetwas anderes teilen als die Wohnung …«
Ich lächle innerlich … Und beruhige sie äußerlich.
»Nein, nein … machen Sie sich keine Sorgen … Ich werde bestimmt nicht versuchen, Sie anzubaggern … Keine Sorge, was das angeht, bin ich geheilt. Ich habe kein Herz mehr … das habe ich verloren …«
Sie wirkt ein wenig überrascht, dann entspannt sie sich.
»In welchem Krieg war das denn?«
»Bin ich schon so alt … Im letzten … Kein sehr medienwirksames Ereignis. Nur wenige Beteiligte. Bloß der Teufel und ich …«
»Und wer hat gewonnen?«
Ich zwinkere ihr zu.
»Ich nicht.«
Wir fahren am großen Platz des Plaine-Viertels vorbei. Es ist Samstag, Markttag.
»Ich muss noch schnell ein paar Sachen einkaufen. Weil …«
Sie blickt mich charmant an.
»Ich habe Ihre Küche gesehen … Sie müssen ja ein richtiger Meisterkoch sein … hätten Sie vielleicht eine Idee, was wir essen könnten?«
»Soll ich das Kochen übernehmen?«
Sie schenkt mir ein strahlendes Zahnpastalächeln.
»Na ja, ich esse
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