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Die geheime Braut

Die geheime Braut

Titel: Die geheime Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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seit jenem Abend noch schweigsamer und noch mehr in sich gekehrt. Die Drosselmale an ihrem Hals verblassten, doch die Todesangst, die sie durchlitten hatte, als der Strick sich um ihren Hals zog, überfiel sie immer wieder. Nachts lag sie wach und glaubte, überall unheilvolles Flüstern zu hören, als klebten Dämonen an den Wänden, bereit, sich im nächsten Augenblick auf sie zu stürzen. Sie hatte erneut begonnen, sich die Fingernägel bis ins Fleisch abzubeißen. Denn mit einem Schlag waren all jene Albträume zurück, die sie lange Zeit gequält hatten.
    Sein widerlicher Atem auf ihrer Haut.
    Eine Gabel, deren Spitzen blutbesudelt waren.
    Die schwarze Fratze des Teufels, die sie beinahe in den Wahnsinn getrieben hätte.
    Es kann nicht sein, sagte sie sich. Und doch war da jener Geruch, der sie erneut besetzt hielt.
    Aber hatte sie ihn nicht mit eigenen Augen sterben sehen?
    Gab es Untote, die ihre Gräber verließen, um Rache zu nehmen?
    Bini war dank eines starken Gebräus aus Weidenrinde und Bitterklee, das Katharina ihr nach Barbara Cranachs genauen Anweisungen eingeflößt hatte, bis die Hitze aus ihrem Körper wich, inzwischen wieder gesundet. Sie fühlte sich schuldig daran, dass Susanna so niedergeschlagen war.
    »Hätte ich nicht so plötzlich gefiebert, wärst du auch nicht jenem Unhold in die Hände gefallen«, sagte sie. »Ich habe dich ins Unheil geschickt. Das werde ich mir vorwerfen bis zum Ende meiner Tage. Und du hast ihn wirklich nicht gesehen?«
    Susanna schüttelte den Kopf.
    Bloß gerochen, dachte sie. Obwohl es eigentlich unmöglich ist. Aber das bleibt mein Geheimnis.
    »Nie wieder musst du allein in die Nacht hinaus. Das verspreche ich dir bei allem, was mir heilig ist.« Mit einer bittenden Geste legte Bini der Freundin die Laute auf den Schoß. »Dein Spiel hat neulich erst die kranke Kleine gesund gemacht. Warum sollte es nicht auch bei dir selbst wirken? Ich wünsche mir so sehr, dass du wieder auf andere Gedanken kommst.«
    Susanna begann, ein paar Akkorde anzuschlagen, dann legte sie das Instrument wieder weg.
    »Ich kann nicht«, sagte sie. »Wenn ich spiele, muss ich an all das denken, was wir verloren haben.«
    »Doch, du kannst!«, versicherte Bini. »Nur eine kleine Überwindung, dann geht es wie von selbst, wirst schon sehen.«
    Widerstrebend griff Susanna wieder nach der Laute.
    Die ersten Töne waren leise, dann wurden ihre Schläge kühner. Nach ein paar heiteren Weisen, die Bini zum Lä cheln brachten, stieg eine altvertraute Melodie in Susanna empor.
    »Mein Lieblingslied«, flüsterte Bini nach den ersten Takten. »Bitte hör nicht auf! Das hab ich seit Sonnefeld nicht mehr von dir gehört.«
    Der Erste, der seinen neugierigen Blondschopf durch die Tür streckte, um der Musik zu lauschen, war Hansi, gefolgt von Muhme Lene, die zu weinen begann, als sie das Lied wiedererkannte.
    Nach einer Weile erschien auch Katharina, die kleine Elisabeth auf dem Arm. Zuerst hörte sie ebenfalls nur zu, dann fing sie an zu summen, und schließlich sang sie halblaut:
    » Da haben die Dornen Rosen getragen,
    Kyrie eleison.
    Als sie das Kindlein durch den Wald getragen,
    da haben die Dornen Rosen getragen.
    Jesus und Maria …«
    Eine Träne lief ihr über die Wange. Elisabeths kleiner Zeigefinger patschte unbeholfen auf die feuchte Spur.
    »Man vergisst es niemals, so ist es doch?« Katharina seufzte, und alle Frauen in der einstigen Klosterzelle schlossen sich diesem tiefen Seufzer an. »Die Glocken, den Weihrauch, das Räuspern und Wispern, wenn man todmüde in der nächt lichen Kapelle kniet und sich gegenseitig stützt, um bloß nicht einzuschlafen. Auch wenn mir die Zeit im Kloster inzwischen so fern erscheint, dass ich manchmal glaube, ich sei eine andere Frau in einem anderen Leben gewesen …«
    Hansi begann in die Hände zu klatschen, was die rührselige Stimmung abrupt verfliegen ließ. Als Katharina weiterre dete, war sie nicht länger eine empfindsame ehemalige Nonne, sondern wieder die resolute Herrin des Luther-Hauses.
    »Du bist vom Herrn gesegnet, Susanna«, sagte sie. »Ein solches Talent solltest du nicht brachliegen lassen. Ich könnte meinen Mann fragen, ob er dich nicht für den Gottesdienst gebrauchen kann.«
    »Und wenn Ihr erst gehört hättet, wie sie früher gesun gen hat!«, sagte Bini. »Sie konnte die Menschen mit ihrer Stimme …«
    »Binea!« Susanna sagte nur dieses eine Wort, und Bini verstummte.
    Hansi war inzwischen auf den Einfall gekommen, Stroh halme

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