Die geheime Stunde
bei der Polizei eintreten sollen, wie ich. Bei uns macht die Arbeit wirklich Spaß – wir klären Verbrechen auf, statt polizeiliche Ermittlungen zunichte zu machen. Als Nächstes wirst du noch wie dein alter Herr auf dem Richterstuhl sitzen und schwarze Roben tragen.«
»Genau wie du und dein alter Herr; ihr habt euch beide für den Polizeidienst entschieden.«
»Der Apfel fällt nicht weit vom Baum. Wann tritt Teddy dem Familienunternehmen bei?«
John wurde plötzlich still, Teddy war in letzter Zeit ziemlich einsilbig gewesen. Während Maggie quietschvergnügt war und ständig nervte, noch vor Thanksgiving in die eigenen vier Wände zurückzukehren, hatte Teddy sich mit einem Mal abgekapselt, nach Einbruch der Dunkelheit im Garten Fußballtechniken geübt und Liegestütze im Flur des ersten Stocks gemacht. John spürte die unsichtbare Mauer zwischen ihnen und wusste, er musste etwas unternehmen, um sie niederzureißen.
In diesem Augenblick ging die Tür auf, und zwei Wärter führten Greg in den Raum. An Händen und Füßen gefesselt, die Haare dem üblichen Gefängnis-Haarschnitt entsprechend kurz geschoren, wurde seine Gewichtszunahme heute besonders deutlich sichtbar – sein schwammiger Körper war in einen orangefarbenen Overall gezwängt, der eine Nummer zu klein schien. Sein unsteter Blick wanderte zwischen John und Billy hin und her. Die Haft hatte sein äußeres Erscheinungsbild grundlegend verändert; er hatte das Aussehen des attraktiven, vertrauenswürdigen jungen Mannes eingebüßt, dem es gelungen war, so viele junge Mädchen in seinen Van zu locken.
»Hallo, Greg«, sagte John.
»Was macht der denn hier?« Greg starrte Billy an. »Ich hab doch alle seine Fragen beantwortet.«
»Ich sagte Ihnen ja schon, wir sehen uns wieder, Mr. Merrill.« Billy lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Was will er, John?«, fragte Greg.
»Er möchte Ihnen ein paar Fragen stellen.«
»Erzählen Sie mir etwas über Amanda Martin, Greg«, sagte Billy. »Sie haben bestimmt schon gehört, dass jemand in Ihre Fußstapfen getreten ist.«
»Ich hatte nichts damit zu tun, wie Sie wissen. Und was ich darüber denke – steht auf einem anderen Blatt.«
»Klären Sie ihn darüber auf, dass es besser für ihn wäre, meine Fragen zu beantworten, Counselor«, sagte Billy.
John schwieg, wartete darauf, dass Greg das Wort ergriff. Er gewahrte Billys ungeduldige Miene. Obwohl sie langjährige Freunde und ehemalige Mannschaftskameraden waren, hatte der Wärter die Situation richtig eingeschätzt: John gehörte jetzt einer anderen Mannschaft an. John musterte seinen Mandanten, sah die Anspannung in seinen Augen und den vorgeschobenen Nacken, als wäre er auf dem Sprung, wie eine Schildkröte, die ihrem Panzer zu entfliehen versucht.
»Sieht so aus, als wären Sie mächtig aufgeregt«, fuhr Billy fort, an Greg gewandt, und beugte sich vor. »Sagen Sie mir warum?«
»Warum sollte ich aufgeregt sein? Ich habe nichts gemacht.«
»Vielleicht sind Sie eifersüchtig. Weil jemand anderer etwas gemacht hat, während Ihnen die Hände gebunden sind.«
»Hah!« Gregs Gesicht rötete sich. »Ich bin doch nicht eifersüchtig auf
ihn.«
»›Ihn‹? Das klingt, als wüssten Sie, wer es war.«
»Ich habe keine Ahnung. Nicht die geringste …«
Billy blickte ihn an, als würde er ihm kein Wort glauben. Selbst John war sich nicht sicher. Greg schien sich äußerst unbehaglich zu fühlen, seine Augen huschten durch den Raum, wie auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit.
»Haben Sie Amanda Martin gekannt?«, fragte Billy. »Haben Sie eine Erklärung dafür, warum der Mörder den Wellenbrecher von Point Heron ausgewählt hat? Könnte es sein, dass der Zeitfaktor eine Rolle spielt?«
Greg lehnte sich zurück, schloss die Augen. Billy saß reglos da, die Ellenbogen hinter seinem Kopf verschränkt. Er wirkte entspannt, doch sein Blick war scharf wie der eines Falken auf der Jagd. Das Schweigen dehnte sich aus, und John stellte fest, dass er an den gestrigen Abend dachte.
Kates Stimme am Telefon, als er ihr von dem neuen Opfer erzählte … zuerst schockiert, dann bedrückt. John war den größten Teil seines Lebens mit Morden und den Folgeerscheinungen konfrontiert worden. Er hatte in vielen Fällen die Verteidigung übernommen, hatte den Angehörigen der Opfer vor Gericht ins Gesicht sehen müssen, während er Tatsachen ans Licht brachte, die Eltern, Ehepartnern, Kindern oder Schwestern besser erspart geblieben wären; aber nie
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