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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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ändern kannst.«
    Sie flüsterte: »Das Baby der Gotobeds ist gestorben Nick. Die kleine Evelina. Mein Gott! « Sie wischte sich die Augen ab. »Was für ein lächerlicher Name …«, ihre Stimme brach, und sie kniff die Augen zusammen.
    Als sie sie wieder öffnete, sah Thomasine, daß Nicholas das gebrauchte Wasser ablaufen und neues einlaufen ließ. Obwohl es vollkommen sauber gewesen war, fuhr er fort, seine Hände einzuseifen und sie mit der Nagelbürste zu schrubben, um nicht vorhandenen Schmutz abzuwaschen. Sie bemerkte, daß er ihr kaum zuhörte und vollkommen in seine sinnlose, zwanghafte Handlung vertieft war. Sie beobachtete ihn eine Weile und sah den angespannten Ausdruck in seinen Augen, während er seine Hände nach weiteren vermeintlichen Schmutzresten untersuchte. Schon immer waren seine Hände ungewöhnlich rot und rauh gewesen, und plötzlich wurde ihr klar, daß dieses übertriebene Reinigungsritual der Grund dafür sein mußte. Während sie ihm zusah, verkrampfte sich ihr Magen, und eine namenlose Angst vor der Zukunft stieg in ihr auf. Sie wandte sich ab und ging wie blind den Korridor hinunter.
    Eines Nachmittags in Ely stellte Fay das Fahrrad an einem Geländer ab und schlenderte anschließend durch die Straßen. Schaufensterbummel zu machen, sich hübsche Dinge anzusehen hatte ihr schon immer gefallen. Auf der High Street gab es einen passablen Kleiderladen (der freilich nicht mit Chantals Damenmoden konkurrieren konnte), in dessen Auslage sie interessiert schaute. Sie entdeckte ein sehr hübsches, blaßrosa Kleid mit weißem Unterrock. Nachdem sie es mit sachkundigem Blick inspiziert hatte, kam sie zu dem Schluß, daß der rosafarbene Stoff Chiffon, der weiße Kunstseide war. Der Stoff wirkte leicht, sommerlich, modern.
    Doch ihre Freude über den Nachmittag begann zu schwinden. Das Kleid, das sie im Moment trug, hatte sie vor zwei Jahren selbst genäht. Sie hatte es zwar abgeändert und den Saum so weit gekürzt, daß er nur noch ein paar Zentimeter übers Knie reichte, aber es blieb dennoch ein zwei Jahre altes Baumwollkleid. »Siebenundzwanzig sechs«, murmelte Fay verärgert, als sie auf das Preisschild neben dem rosafarbenen Chiffon blickte. Sie wußte genau, wieviel sich in ihrer Börse befand: Zwei Pfund und zehn Shilling, ihr Haushaltsgeld für eine Woche, das ihr Daniel am Morgen gegeben hatte.
    Fay entfernte sich vom Kleiderladen und ging, um sich ein wenig aufzuheitern, in das kleine Café nebenan. Während sie ihren Tee trank, fielen ihr die hübschen Porzellantassen, das silberne Teeservice und die Tischdecke aus Damast auf, und sie stellte sich kurz vor, wie sie mit einem ähnlichen Service die neidischen Damen von Drakesden bewirtete. Aber das Traumgebilde brach schnell zusammen, als sie sich in ihrer schäbigen Küche mit dem Ziegelboden und dem rauchenden alten Herd stehen sah. Außerdem gab es gar keine Damen in Drakesden, zumindest keine, die mit der Frau eines Kleinbauern Tee trinken würde.
    Vor ihrem geistigen Auge erschien das kleine Haus, nach dem sie sich sehnte. In einer Stadt, nicht auf dem Land, mit zwei Wohnzimmern und einer Küche. Hübsch und ordentlich, mit einem Dienstmädchen für die schwere Arbeit. Auch dieses Traumgebilde löste sich auf, und Fay gab der Bedienung betrübt ihr Sixpence-Stück und verließ das Café.
    Ziellos wanderte sie durch die Straßen, als jemand ihren Namen rief. Sie drehte sich um und erkannte Dr. Lawrence, der die Stufen eines Hauses herabkam. Aus dem Augenwinkel sah sie das Messingschild neben der Tür des breiten Ziegelbaus.
    Â»Doktor Lawrence! Wie schön!«
    Â»Sie sehen gut aus, Mrs. Gillory, ganz entzückend sogar. Wie geht es Ihnen?«
    Sie sah die Bewunderung in seinen hellblauen Augen mit den schweren Lidern und den rotblonden Wimpern.
    Â»Mir geht’s sehr gut, Dr. Lawrence. Mein Fuß ist wieder ganz in Ordnung.«
    Â»Das freut mich zu hören.« Er lächelte.
    Sonnenstrahlen leuchteten auf den Blumenbeeten und Büschen vor seinem Haus. Fay sagte: »Ihre Frau muß sich über das bessere Wetter freuen, Doktor.«
    Er lachte. »Oh, ich bin nicht verheiratet, Mrs. Gillory. Ich bin ein armer einsamer Junggeselle. Ich hab noch kein Mädchen gefunden, das sich meiner erbarmt hätte.«
    Â»Ach, das kann ich kaum glauben«, murmelte sie,

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