Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
Sie kennenzulernen«, sagte Sir Thomas mit warmer Stimme und verneigte sich zum Abschied.
»Ich hoffe doch, dass wir wieder einmal die Gelegenheit bekommen, Sie zu treffen«, meinte Sophia, während sie lächelnd knickste, dann den Arm ihres Vaters nahm und ihn ins Haus geleitete.
Ohne einen Blick zurück kletterte ich in die Kutsche. Mein Herz pochte, und ich freute mich, der Situation entronnen zu sein. Der Rest unserer Reisegesellschaft folgte, und schon bald waren wir unterwegs.
»Sie erstaunen mich, Miss Austen!«, sagte Mr. Morton, der mir in der Kutsche gegenübersaß. »Warum haben Sie uns denn nicht verraten, dass Sie die Churchills kennen?«
»Ich hatte nicht geahnt, dass ich sie hier treffen würde«, erwiderte ich.
»Es ist wirklich außergewöhnlich«, meinte Alethea, »dass du die junge Dame kennst, die Mr. Ashford heiraten wird.«
»Als die Haushälterin die bevorstehende Hochzeit erwähnte«, meinte Mr. Morton beharrlich, »hätten Sie doch sicherlich etwas sagen können.«
»Es erschien mir nicht wichtig«, antwortete ich.
»Nicht wichtig!«, rief Mr. Morton. »Eine so hochstehende Bekanntschaft! Nun, das ist doch das Wichtigste von der Welt.«
»Er sieht ja wirklich ziemlich gut aus, findest du nicht?«, meinte Alethea.
»Wer?«, fragte ich zurück.
»Na, Mr. Ashford natürlich. Was für ein attraktiver Mann!«
»Ich habe das gar nicht bemerkt«, log ich.
»Wenn er auch sehr reserviert schien«, meinte Alethea.»Ich glaube nicht, dass ich ihn ein einziges Wort habe sprechen hören.«
»Das ist ein sehr angenehmer Charakterzug bei einem Mann«, meinte Mr. Morton. »Ich bewundere reservierte und stille Personen. Ich sage schon immer, dass Redseligkeit eine große Sünde ist, da sie ja für diejenigen, die zum Zuhören gezwungen sind, außerordentlich ermüdend sein kann, insbesondere wenn der Sprechende keine gebildete Person wie ich ist, der mit einem flinken Verstand und einer gewandten Zunge redet und mit profundem Wissen über die Dinge der Welt einen reichen Schatz an Themen zur Auswahl hat. Wenn es einem an solchen Fähigkeiten mangelt, denke ich, sollte man nur sprechen, wenn man etwas von großer Wichtigkeit mitzuteilen hat, und selbst dann seine Worte mit großer Sorgfalt wählen.«
Als Mr. Morton am nächsten Tag den Besuch eines anderen Herrenhauses vorschlug, täuschte ich Kopfschmerzen vor und sagte, ich würde lieber zu Hause bleiben. Ich freute mich auf einige Stunden der Ruhe und Einsamkeit, in denen ich meine Gefühle einem Brief an meine Schwester anvertrauen konnte.
Hartsford, Mittwoch, den 3. Mai 1809
Meine liebste Cassandra,
vielen Dank für deinen höchst willkommenen Brief, den ich am Tag nach unserer Ankunft erhielt. Deine Beschreibung des kleinen Missgeschicks mit Mary, unserer Mutter und dem schmutzigen Badewasser war so komisch, dass ich wohl eine ganze Viertelstunde darüber
gelacht habe. Du bist wirklich die humorvollste Briefschreiberin des Zeitalters, und ab jetzt werde ich jegliche Ehre diesbezüglich zurückweisen. Es schmerzt mich jedoch zu hören, dass du und Mutter euch im Allgemeinen so elend gefühlt habt und sogar gezwungen wart, euch bis zu meiner Rückkehr nach Alton zu begeben. Aber vielleicht hätten wir es auch nicht anders erwarten sollen. Eure Entscheidung, aus dem Gasthof in das Häuschen der Mrs. F. Austen umzuziehen, ist meiner Meinung nach gut gewesen, besonders da Mutter sich noch immer nicht ganz wohl fühlt. Vielleicht wird der Austausch der einen Mary gegen die andere ihr guttun.
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– Bitte sage meiner Mutter, dass ich jeden Tag an sie denke. Sie sollte vielleicht an Martha schreiben, die, glaube ich, ein neues Mittel gegen Kopfschmerzen kennt. – Inzwischen solltest du meinen ersten Brief von hier erhalten haben, in dem ich (auf höchst indiskrete Art, muss ich gestehen) all das beschrieben habe, was Mr. Morton ausmacht, sowohl seine Person wie auch seine Pfarrei. In den zwei Tagen seither hat sich Mr. Morton, falls möglich, als noch hassenswerter und absurder erwiesen, als ich je erwartet hätte. Es gab ja eine Zeit, in der ich den Squire für einen ziemlich redseligen Mann hielt, aber Mr. Morton übertrifft ihn in dieser Hinsicht um ein Vielfaches. Er kann zu jedem Thema so langatmig und wortreich salbadern, dass man es kaum beschreiben kann. Doch ich muss dieses
Thema unverzüglich verlassen, da man mich sonst mit Recht des gleichen Fehlers bezichtigen könnte. Nun kann ich die wichtigste Nachricht dieses Schreibens
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