Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
Motor- und Segelboote liegen, die der Sturm über hundert Meter weit durch die Luft geschleudert haben musste. In Miami und Miami Beach sah es aus, als ob ein Bombenangriff stattgefunden hätte, zum Glück waren die meisten Bewohner vorher geflohen oder hatten in sturmsicheren Gebäuden Unterschlupf gefunden. Zerstört waren vor allem die hüttenartigen Wohnhäuser der ärmeren Bevölkerungsschichten.
Der reguläre Abflug verzögerte sich nur um einen Tag, allerdings flogen wir nicht wie geplant vom Miami Airport Richtung Frankfurt am Main, sondern bestiegen unsere Maschine auf dem Flughafen von Fort Lauderdale und mussten in New York Zwischenstopp einlegen. Nach unserer Rückkehr in Berlin schliefen wir vierzehn Stunden den Schlaf der Gerechten.
Wir brauchten einige Wochen, um die vielen Eindrücke zu verarbeiten und die Neugierde unserer Verwandten und Freunde zu befriedigen. Alle hatten per Fernseher die Berichte über Andrew verfolgt gehabt und mit uns gezittert.
Jetzt mussten wir ihnen alle Details dieser aufregenden Tage schildern.
Zum Oktoberfest 1991 lernten wir in München ein Pärchen kennen, das in einem Vorort der Stadt wohnte. Wir waren uns sofort sympathisch und erhielten einen Monat später den ersten Besuch in Berlin. Es entstand schnell eine gute Freundschaft und bei einem gemeinsamen Kurzurlaub in den Alpen boten uns die Freunde an, im August ihr Haus in Fort Lauderdale für einen Urlaub zu nutzen. Es stünde die meiste Zeit des Jahres leer und es wäre doch schön, wenn wir es für einige Wochen bewohnen würden. Sie kämen vor September nicht mehr dazu, über den Großen Teich zu fliegen. Beim ersten Mal war ich Feuer und Flamme und nahm dieses Angebot dankend an, diesmal lehnte ich mit großem Bedauern ab, wir hätten unseren Sommerurlaub schon fest gebucht, würden aber gerne 1993 auf ihr nettes Angebot zurückkommen. Nachdem wir alleine waren, fragte mich Monique völlig ratlos: „Warum hast du diese Geschichte mit dem bereits gebuchten Urlaub erzählt? Wir haben doch noch gar kein Reiseziel ausgesucht. Florida wäre doch toll gewesen und preisgünstig auch, du hast doch gehört, wir hätten nur ein bisschen sauber machen und alles auf Vordermann bringen müssen, dafür hätten wir umsonst gewohnt. Und dies in diesem tollen Haus mit Pool. Unsere Freunde hatten uns Fotos von ihrem Feriendomizil gezeigt. Ich musste ihr natürlich Recht geben, die Wahrheit war, dass ich nicht noch einmal den Sturm mitmachen wollte. Wir würden unsere Floridaaufenthalte 1993 beginnen. Als die Fernsehbilder von den Zerstörungen durch Andrew in der „Tagesschau“ gezeigt wurden, war meine Frau dankbar, dass ich diesen Entschluss gefasst hatte.
„Du hast wieder einmal den richtigen Riecher gehabt. Aber vielleicht sollten wir im nächsten Sommer nicht reisen, es gibt keine Garantie dafür, dass uns nicht Ähnliches passiert. Wenn überhaupt, wäre es besser, wir würden außerhalb der Wirbelsturmsaison reisen.“
„Vertraue meinem achten Sinn, im kommenden Jahr gibt es im August keinen Hurrican. Wir können die Reise getrost antreten.“
Womit ich natürlich recht behalten sollte. Dennoch wurde es ein alles andere als unbeschwerter Urlaub.
Die Schäden waren fast vollkommen beseitigt. Es war innerhalb eines Jahres eine unglaubliche Arbeit geleistet worden, nur viele abgeschnittene Baumstümpfe und breite Schneisen in der Vegetation erinnerten an das Geschehen des letzten Jahres.
Tausende neue Häuser waren entstanden, die meisten stabiler als ihre Vorgänger, es gab jetzt auch strengere Vorschriften für Bauten, die sich in der Küstenregion befanden.
Die erste Woche war traumhaft, in den Mittagsstunden gab es zwar fast täglich einen starken Wolkenbruch, aber bereits eine Stunde später schien die Sonne und trocknete die großen Pfützen in kürzester Zeit. Meine Frau und meine Tochter waren überrascht, wie gut ich mich auskannte, ich erzählte ihnen, ich hätte mich belesen und viele Land- und Stadtkarten studiert. Ich brauchte keine Karten mehr. Die Region Miami Dade und Broward County hatte ich schon bei unserem ersten Aufenthalt als vertraute Regionen registriert, nun, nachdem ich in meinem Gedächtnis fast drei Wochen bewusster Erlebnisse
und tausend Kilometer Autofahrt gespeichert hatte, kannte ich mich besser aus als in manchem Berliner Stadtbezirk. Alles war perfekt, bis zum 24. August.
Ich kaufte mir den „Miami Herold“ und wollte mich über die kulturellen Veranstaltungen in der
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