Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
zum Auto und setzte es zu meiner Tochter auf den Rücksitz. Als ich selbst eingestiegen und die Fahrertür geschlossen hatte, musste ich erst einmal verschnaufen. Ich versuchte, den Poncho zu zerreißen, wobei ich auch noch den bisher trockenen Teil des Sitzes nass machte. „Was ist los, wer ist das?“ fragte mich aufgeregt Monique. „Das Kind war allein im Haus, es sagt, seine Mutter wäre auf Arbeit. Wir können es nicht hier lassen. Die Nachbarhäuser wirken schon alle verlassen.“
Ich drehte mich um und versuchte, das noch immer weinende Kind zu beruhigen. Jetzt hatten wir zwei Mädels, die im Chor schluchzten. Monique sprach erst auf unsere Tochter, dann auf das farbige Mädchen ein, ihre mütterliche Stimme hatte sichtbaren und hörbaren Erfolg. Beide wurden leiser und nahmen die Gummibärchen, die Monique ihnen reichte, entgegen. Ich appellierte an Daniela. „Du musst die Kleine trösten, sie hat Angst. Wir bringen sie in Sicherheit.“ Daniela umarmte die Kleine und das Schluchzen wurde leiser. Ich holte einen Zettel aus dem Handschuhfach und schrieb die Hausnummer und den Straßennamen auf. Auf meine Frage, wie sie heiße, antwortete die Kleine leise: „Sarah.“
„Was ist, wenn die Eltern kommen, um die Kleine zu holen, sie werden vor Angst und Sorge sterben“, gab Monique zu bedenken. „Das hätten sie sich früher überlegen müssen, als sie das Kind allein gelassen haben. Wir übergeben das Mädchen den nächsten Polizisten, denen wir begegnen.“ Dieser Augenblick ließ nicht lange auf sich warten, denn ich hatte das Wohngebiet durchquert und fuhr wieder auf den Sunrise Boulevard, viel Zeit oder Kilometer hatten wir nicht gut gemacht. Wir kamen nur im Schritttempo voran, aber immerhin gab es jetzt wenigstens langsam fließenden Verkehr. Kurz vor der Auffahrt zur „95“ standen zwei Polizeifahrzeuge mit blinkenden Rundumleuchten. Ich fuhr etwas auf den Rand, um den nachfolgenden Autos das Vorbeifahren zu ermöglichen. Zwei in gelbe Regencapes gekleidete Polizisten mit Signallampen in ihren Händen versuchten, die Autos zu dirigieren. Ich musste brüllen, um mich bei den pfeifenden Windböen, die über die Straße fegten, verständlich machen zu können. In der Aufregung vielen mir kaum die passenden englischen Wörter ein. Der Polizist schien aber begriffen zu haben, worum es ging, er folgte mir zum Wagen und schaute durchs hintere Fenster. Er nickte dem Mädchen zu, ging zurück zu seinem Einsatzfahrzeug und gab mir ein Zeichen einzusteigen. Ich folgte seiner Aufforderung und konnte mich nun etwas besser unterhalten. In knappen Worten erzählte ich ihm, was geschehen war und gab ihm Namen und Anschrift des Mädchens. Er nahm sein Sprechfunkgerät und erstattete seiner Zentrale Meldung. Dann versuchte er mir klar zu machen, dass es besser wäre, wenn wir weiter gerade aus in Richtung West Oakland Park Boulevard fahren und uns im Springtree Country Club melden würden. Dort gäbe es geeignete sturmfeste Schutzräume und wären schon andere Touristen untergebracht. Das Mädchen würde er einer bald eintreffenden Streife mitgeben. Bei geeigneter Gelegenheit würde man nach den Eltern suchen, vielleicht würden diese sich auch bei der Polizei melden und eine Vermisstenanzeige aufgeben. Die Zentrale hätte Namen und Anschrift und könne Auskunft geben. Dies war natürlich etwas optimistisch, denn die Telefonleitungen waren völlig überlastet. Dies hatte ich schon kurz vor unserer Abfahrt gemerkt, als ich versucht hatte, ein Gespräch nach Deutschland zu führen, um unsere Angehörigen und Freunde zu beruhigen. Handys gab es noch nicht und unter diesen Umständen wären wahrscheinlich auch die Handynetze überfordert gewesen. Ich lief zu meinem Wagen und erklärte Sarah, dass die Polizisten sich um sie kümmern würden. Sie begann wieder zu weinen, sie wolle lieber bei Daniela bleiben. Offenbar hatte ihr meine Tochter ihren Namen mitgeteilt und ihr Vertrauen gewonnen. Daniela schenkte ihr spontan ihren Monchhichi, ihr Lieblingsäffchen. Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass sie sich je von diesem Begleiter trennen würde.
Ich spendierte ihr nach unserer Rückkehr einen neuen und größeren und schöneren Monchhichi, dieser konnte aber wie sich zeigte, den alten nicht aufwiegen. Ich machte ihr klar, dass das kleine Mädchen sein Haus und alles Spielzeug durch den Sturm verloren hätte und nun sicher froh wäre, wenigstens den Monchhichi zu haben. Es sei sehr lieb gewesen, ihn ihr zu
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