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Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Titel: Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Tenner
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Nietzsche emotional etwas abgewinnen konnte. An eine Wiedergeburt glaubten viele, die Idee des Kreislaufes des Lebens war den östlichen Weisheitslehren wesenseigen, doch es gab auch Veränderungen der Gestalt und der Schicksale und es gab, wenngleich schwer erreichbar, das Ende, das Nirwana, das erfüllte Nichts. Aber auf die Idee zu kommen, dass man sich in einer Art Zeitschleife befände, aus der es keine Erlösung, kein Entrinnen gäbe, diesen oberverrückten Einfall fand ich nur bei Nietzsche. Ich suchte mir meine Aufzeichnungen und las die Zeilen, die ich aus einem seiner Werke herausgeschrieben hatte: „Die Zeit läuft in sich zurück. Sie kreist ewig in sich und, so oft ihr Uhrwerk abgelaufen ist, beginnt sie wieder von vorne. Alles, was je gewesen ist, kommt wieder. Diese langsame Spinne, die im Mondscheine kriecht, und dieser Mondschein selber, und ich und du in diesem Zimmer, zusammen flüsternd, von ewigen Dingen flüsternd – wir sind alle schon dagewesen. Die ewige Wiederkehr des Gleichen. Der Tod ist ein bloßes Hirngespinst. Ein Werden, das kein Sattwerden, keine Müdigkeit kennt. Ein frei gewordener Geist, ohne Gott, ohne Heimat steht allein mitten im All, er verneint nicht, er klagt nicht. Er erträgt das Schicksal nicht nur, sondern er liebt es – das ist der Amor fati!” Vielleicht hatte Nietzsche die Sanduhr oder eine ähnliche Apparatur besessen und war immer wieder zurückgekehrt und hatte die Jahre erneut durchlebt, hatte versucht, das Schicksal anzunehmen, zu bejahen, es sogar zu lieben, bis er schließlich nicht mehr konnte, den Irrsinn nicht mehr ertrug und in geistige Umnachtung verfiel, um dem Wahnsinn ein Ende zu bereiten. Amor fati! Ich konnte dieses Schicksal nicht einfach hinnehmen. Um den Grübeleien und heraufziehenden geistigen Störungen zu entgehen, bedurfte ich einer vernünftigen Kommunikation. Ich rief meinen Freund Tommy an und erzählte ihm, dass ich das Korpus Delikti wieder besäße. „Komm nach Berlin. Du kannst dich selbst überzeugen und ich werde dir berichten, auf welch seltsame Weise die Uhr zu mir zurückgekehrt ist.“ Das Gespräch tat mir wieder einmal sehr gut, solange man zumindest eine intersubjektive Wirklichkeit besaß und eine Resonanz auf seine Äußerungen erhielt, wusste und spürte man, dass man doch nicht, wie Nietzsche meinte, allein im All da stand. Tommy schaute sich meine Sanduhr gründlich an. „Ich muss zugeben, es ist schon eine seltsame Apparatur. Die Zeilen und Ziffern geben einem Rätsel auf. Aber wie soll es denn nach deiner Meinung nun weitergehen?“
    „Wie ich dir bereits sagte, ich muss wieder im August nach Florida und den Andrew über mich ergehen lassen, zumindest seine Ausläufer. Ich muss die Zahl der Opfer wieder auf sechsundzwanzig senken. Sonst kann ich bis zu meinem Lebensende nicht mehr ruhig schlafen.“
    „Du kennst die beiden kommenden Jahre besonders gut, hast du wieder mal einen klugen Rat für mich? Oder eine Warnung?“ „Nein, alles bestens. Das Angebot, das man dir im nächsten Jahr unterbreiten wird, ist übrigens seriös, du kannst das Grundstück ohne Bedenken erwerben und wirst noch 2008 deine Freude daran haben.“
    „Danke. Lass uns jetzt mal ein paar Stunden so tun, als ob wir normale Menschen wären, gehen wir in ein Weinrestaurant und ich berichte dir über meine Vorstellungen zur geplanten Hegel-Vorlesungsreihe.“
    „Natürlich, Tommy, normale Menschen gehen Wein trinken und debattieren dabei über den Hegelschen Weltgeist. Meinetwegen gerne. Lass uns normal sein.

23. Kapitel
    Die Vorbereitungen auf den Florida-Urlaub, für meine Frau der Erste in ihrem Leben, für mich schon fast Routine, kümmerte mich nicht. Ich wusste, Monique hatte alles im Griff.
    Das Einzige, was ich besorgte, war ein Monchhichi und ein weißer Porzellanelefant mit goldener Bemalung.
    „Willst du mich auf den Arm nehmen? Ich besorge hundert Dinge für den Sommerurlaub, denke an Sonnenmilch, neue Badesachen,
    T-Shirts, Reisetabletten und viele notwendige Dinge. Und was machst du? Du kaufst ein Monchhichi, obwohl Daniela ihren niemals tauschen würde. Und was soll dieser überflüssige, kitschige Porzellanelefant?“
    „Keine Angst, der Kitsch ist nicht für dich gedacht, sondern ein Gastgeschenk. Und den Monchhichi kann Daniela ebenfalls in Florida verschenken, du wirst sehen, es findet sich eine Gelegenheit.“
    Natürlich fand sich die Gelegenheit, Sarah war hocherfreut und ich auch, weil Daniela nun nicht jahrelang

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