Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
Mittagsschlaf gemacht. Stattdessen drängte mich Monique ins Guggenheim-Museum, das ich zwar architektonisch sehr beeindruckend fand, aber wenig Interesse an der modernen Kunst entwickeln konnte. Ich musste mir über zwei Stunden Teile der umfangreichen Sammlung ansehen, für die man bei genauer Betrachtung zwei Jahre gebraucht hätte. Dennoch kamen mir in meinem Zustand und bei meinen müden Füßen diese zwei Stunden wie eine Ewigkeit vor. „Hast du denn gar kein Interesse an der modernen Malerei?“, fragte meine Frau, als sie meine müden Augen sah. Ich wollte ihr den Spaß nicht verderben. „Doch. Natürlich, ich würde mir gern die Expressionisten ansehen. Aber danach lass uns einen Kaffee trinken, der wird meine Lebensgeister wieder wecken.“
„Einverstanden, wenn wir uns nach der Kaffee-Pause als Höhepunkt New York aus der Vogelperspektive, vom World Trade Center aus ansehen. Ich habe gelesen, von dort hätte man den schönsten und weitesten Ausblick, vor allem kurz vor Sonnenuntergang.“ Eigentlich wäre dagegen nichts einzuwenden gewesen. Aber ich hatte eine rational nicht genau erkläre Scheu, Gebäude zu betreten, die in wenigen Stunden nicht mehr existieren würden und unter sich dreitausend Menschen begruben. Dies konnte ich Monique nicht sagen, also musste ich eine andere Begründung finden. Beim Kaffeetrinken meinte ich fast nebenbei: „Du weißt, dass der Fahrstuhl die 1einhundertundsieben Stockwerke in 58 Sekunden hochschießt? Der Druck ist bestimmt nicht gut für dein Gehör und das Implantat.“ Ich sah die enttäuschte Mine. „Wir können doch New York vom Empire State Building aus betrachten, das ist fast genauso hoch, die Fahrstuhlfahrt ist aber nicht so rasant und geht nur bis zum 86. Stockwerk, und wenn uns das nicht reicht, können wir immer noch bis zum 102. Stockwerk zur Aussichtsplattform weiter fahren. Außerdem gefällt mir die Architektur der dreißiger Jahre besser als die moderne von Ground Zero.“ Mir fiel erst nach dem Gespräch ein, dass ich mich verraten hatte. Meiner Frau war die Bemerkung nicht aufgefallen, aber mir wurde wieder klar, wie schwer es war, in der Gegenwart zu leben, wenn man schon in der Zukunft war. Die Bezeichnung „Ground Zero“ existierte bezogen auf das Gelände des World Trade Komplexes am 10. September noch gar nicht. Gut, dass ich keinem Geheimdienstler gegenüber gegessen hatte. Mir gefiel die alte Architektur wirklich besser, ob die Fahrstühle im Empire State Building tatsächlich langsamer fuhren als jene in den Twin Towers, wusste ich nicht. Aber meine Frau nahm mir meine Argumente ab und wir hatten eine unvergessliche Aussicht. Die Wolkenkratzer des World Trade Centers betrachtete ich mit einem wehmütigen Auge und machte einige Erinnerungsfotos. Ich konnte einfach nicht glauben, dass die beiden gigantischen 110-stöckigen Zwillingstürme in weniger als 24 Stunden einfach nur noch Schutt und Asche sein sollten.
Ob man meine Warnungen ernst nahm und Maßnahmen zur Festnahme der Terroristen getroffen hatte? Im Hotelzimmer angekommen, verfolgte ich die Spätnachrichten der lokalen und überregionalen Fernsehstationen. Nirgends gab es einen Hinweis auf verstärkte Sicherheitsmaßnahmen. Obwohl ich innerlich zerrissen war und unter großer Spannung stand, schlief ich gegen Mitternacht wie ein Toter ein. Das Klingeln des Weckers hätte ich überhört, nur Moniques hartnäckiges Rütteln führte dazu, dass ich, wenngleich sehr langsam, zu mir kam. Erst eine kalte Dusche brachte mich unter die Normalsterblichen zurück. Vor dem Verlassen des Zimmers schaltete ich noch einmal den Nachrichtensender ein. Keine Meldung über Verhaftungen oder erhöhte Alarmbereitschaft. Vor dem Hotel wartete das Taxi auf uns, dass uns der Portier vorbestellt hatte. Wir mussten schon sehr früh aufbrechen, da ich unseren Abflug vom John F. Kennedy Airport schon für 6.45 Uhr gebucht hatte. Der erste Einschlag würde erst zwei Stunden später erfolgen, bis zur offiziellen Sperrung des Luftraumes würden wir das Territorium der USA verlassen haben. Hoffte ich zumindest. Als wir unser Gepäck aufgegeben hatten und ich beim Sehen der Nachrichtensendung, die über mehrere Deckenmonitore ausgestrahlt wurden, immer noch keinen Hinweis auf irgendwelche Aktivitäten der Regierungsstellen und Sicherheitsbehörden vernehmen konnte, entschloss ich mich zu Plan B überzugehen. Wenn ich schon die Anschläge und ihre Langzeitfolgen nicht verhindern konnte, dann musste es doch
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