Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
Kenntnis vom Bevorstehenden und fasste wieder einmal den Entschluss, dem Negativen zu entgehen. Welche Naivität. Nach all den Jahren und ernüchternden Erfahrungen hätte ich wissen müssen, dass ich nur ein Spielball irgendwelcher Elemente oder Kräfte war. Zumindest kam ich mir so vor. Und dass es sich diesmal nicht um die Durchsetzung des kategorischen Imperativs handelte, sondern um ganz private egoistische Angelegenheiten, war mir sehr wohl bewusst. Das Verhängnis näherte sich in Gestalt eines entfernten Verwandten, meine Tante behauptete, es wäre ein Großcousin von mir. Nur einmal im Jahr, zum Geburtstag meiner Tante, bekam ich ihn zu Gesicht und vor allem zu Gehör. Er konnte reden ohne Ende und die Tatsache, dass er auf alles eine Antwort hatte, ähnlich den meisten unserer Politiker, hätte mich stutzig machen müssen. Aber die anderen mochten ihn und ich wollte kein Spielverderber sein und diese oder jene seiner Thesen zu Gott und Welt erschüttern oder in Zweifel ziehen. Ich weiß nicht einmal seinen richtigen Namen, alle nannten ihn nur Pete. Vor Gericht nannte er einen anderen Namen, den ich aber vergessen habe. Beim Geburtstag meiner Tante 2003 hörte ich das erste Mal gespannt und mit wachsendem Interesse seinen Ausführungen zu. Er hatte nach der Wende 1990 ein Reisebüro gegründet und sich diese fast vierzehn Jahre damit über Wasser gehalten.
Er berichtete über den Kampf, sich gegen die Großen der Branche zu behaupten. Und das man sich ständig etwas Neues einfallen lassen müsse, um als kleiner Karpfen im Hechtteich zu überleben. Dann kam er zu dem Thema, von dem er ahnte, dass ich anbeißen würde: Florida. Er wolle sich auf einige Rundreisen spezialisieren, sein Hauptreiseziel solle die USA, einige Male im Jahr die Westküste und ganzjährig die Ostküste und Westküste Floridas werden. Er wolle eine Außenstelle seines Reiseunternehmens in Fort Lauderdale eröffnen. Er wisse, dass ich im Laufe der letzten zwölf Jahre zwanzig Mal oder noch öfter in Florida Urlaub gemacht, an der dortigen staatlichen Universität in Tampa Studien durchgeführt und mit Monique ein Jahresapartment gemietet hätte. Ich würde doch inzwischen bestimmt die Mentalität der Menschen kennen, die landesspezifischen Sitten und Gewohnheiten und die interessantesten Regionen und Attraktionen. Er wäre sehr an meiner Meinung interessiert und was ich von einer Expansion seines Reisebüros in diesen Teil der Welt halten würde. Ob ich in der kommenden Woche nicht einmal im Reisebüro vorbei schauen wolle? Er würde mich dann mit Einzelheiten vertraut machen. Ich folgte dieser Einladung und ließ mich bei meinem Besuch schnell von seiner Begeisterung anstecken. Sein eigentliches Ziel war natürlich nicht, meine Meinung oder meine Erfahrungen über Land und Leute zu vernehmen, sondern schlichtweg - mein Geld zu erhalten. Er war geschickt, fiel nicht gleich mit der Tür ins Haus, fast nebenbei erwähnte er, dass er zwar knapp im Gewinnbereich arbeiten würde, aber keine großen Reserven besäße. Die Banken seien mehr als restriktiv in ihren Kreditvergaben bei kleinen oder mittelständischen Unternehmen. Fast beiläufig fragte er mich, ob ich kein Interesse hätte einzusteigen. Er würde mich zu seinem Partner machen. Natürlich nur auf dem Papier, ich müsse mich um nichts kümmern, höchstens alle paar Monate in der Filiale in Florida nach dem Rechten schauen und die Reisetouren mit ausarbeiten und testen. Er war realistisch, was die Gewinnerwartung anbelangte. Natürlich werden wir nicht reich werden, aber ein bisschen fällt doch ab und du hättest die Möglichkeit, dich ein halbes Jahr ohne Unterbrechung in Florida aufzuhalten. Dein Geschäftsvisum ist, wie ich von Monique hörte, vor Kurzem abgelaufen und eine Verlängerung wohl schwierig. Ich habe mich schon in der amerikanischen Botschaft erkundigt, wir erhalten als Reisebürobetreiber mit der Außenstelle in Florida von den Amerikanern natürlich ein Geschäftsvisum. Du könntest dich dann wieder fast ausschließlich deinen Studien und schriftstellerischen Aktivitäten widmen. „An welche Summe hattest du gedacht?“
Er überlegte kurz: „Na, ich denke, mit fünfzigtausend oder sechzigtausend Euro wärest du im Spiel.“
An dieser Stelle hätte ich hellhörig werden müssen, denn nichts verrät den Menschen mehr als seine Sprache. Pete sprach nicht vom Einsteigen ins Geschäft, sondern vom Spiel. Und für ihn war das Leben genauso wie sein Geschäft nur ein
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