Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
Spiel. Aber meine Ohren waren nicht hellhörig, die Verlockung war einfach zu groß. Ich hatte schon seit einigen Jahren ein kleines Apartment in Margate gemietet, nur zehn Kilometer von der Küste und Fort Lauderdale entfernt. Immer, wenn Monique Urlaub hatte und es sich einrichten ließ, wohnten wir einige Wochen oder manchmal auch nur einige Tage dort. Ich konnte in Margate besser arbeiten als in Berlin, schrieb doppelt so schnell und mein Gehirn sprudelte nur so von Einfällen. Es gibt die Legende, dass sich in Florida der Jungbrunnen des Lebens befinden würde, viele spanische Eroberer haben bei der Suche nach ihm vorzeitig ihr Leben verloren.
Vielleicht gab es diesen Jungbrunnen tatsächlich, aber in einer anderen Form als sich dies die Konquistadoren vorgestellt hatten, es war vielleicht die belebende Kraft der dortigen Sonne und Luft, die einem das Gefühl vermittelte, Bäume ausreißen zu können. Ich ließ mich auf das Geschäft ein, nicht ahnend, dass ich mit einem Gauner eingelassen hatte. Die Bücher schienen in Ordnung zu sein, aber wie so oft – der Schein trügt. Sie waren, wenngleich in exzellenter Weise, frisiert. Die Tatsache, dass das Reisebüro noch existierte, verdankte Pete dem Umstand, dass er ein hinderliches Organ wie ein Gewissen nicht besaß und nach der Wende das Schneeballprinzip auf den verschiedensten Gebieten eingehend studiert und verinnerlicht hatte. Um das Geld war es schade, aber der Kredit, den ich mithilfe der Unterschrift meiner Frau aufgenommen hatte, war nicht mein Hauptproblem. Ich war als Teilhaber mitverantwortlich für die getätigten Geschäfte. Als die Betrügereien wenig später durch einen Steuerbeamten aufgedeckt und ein Verfahren eröffnet wurde, konnte ich zwar meine subjektive Unschuld beweisen, aber nicht meine Unterschrift unter den Verträgen zurückziehen. Pete wurde zu drei Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt, seine Konten waren leer, was immer er mit dem Geld angestellt hatte, es war unauffindbar. Ich musste nicht nur den Kredit begleichen, sondern den geprellten Reisenden der letzten Reisegruppe über fünfzigtausend Euro ersetzen. Das große Herz meiner Tante half mir, relativ schmerzfrei, wenngleich nicht ohne Blessuren, aus dieser Geschichte herauszukommen. Die Spiele im Gefängnis waren wohl alles anders als angenehm, nach knapp zwei Jahren erhängte sich Pete mittels eines zerrissenen Bettlakens an seinem Fenstergitter. Als ich nun auf der Geburtsfeier die Sprüche meines Großcousins hörte und an die einstige Zukunft dachte, konnte ich nur mitleidig lächeln und wandte mich desinteressiert ab. Die Sache war für mich erledigt. Ein erneuter Irrtum. Als er merkte, dass ich nicht wie der Volksmund so treffend sagt, anbeißen würde, suchte er sich ein neues Opfer aus. Ich habe dies leider viel zu spät bemerkt. Vier Wochen nach der Feier kam meine Frau freudestrahlend durch die Tür und verkündete, dass wir beide ein neues Geschäftsvisum für die USA erhalten würden. Mit schwante nichts Gutes. „Du bist bei Pete in die Firma eingestiegen?“ Sie war überrascht. „Er hat dir davon erzählt? Und ich habe ihn extra gebeten, dir nichts im Voraus zu verraten, es soll doch eine Überraschung zu deinem Geburtstag sein.“ Die Überraschung war gelungen. Ich konnte einige Zeit gar nichts sagen. Dann fragte ich mit belegter Stimme: „Wie hoch ist deine Beteiligung?“ „Fünfzigtausend Euro. Angesichts der Gewinnbeteiligung und der Solidität des Unternehmens, eine annehmbare Summe. Ich habe Franziska (eine Nichte von uns, die als Steuerberatergehilfin arbeitet) natürlich die Bücher einsehen lassen. Es ist alles in bester Ordnung und du kannst jetzt wieder sechs Monate hintereinander in Florida arbeiten. Und wenn du dich einen Tag außer Landes aufgehalten hast, darfst du erneut sechs Monate in Florida oder irgendeinem anderen Bundesstaat leben.“
Ich schüttelte nur verzweifelt den Kopf. „Woher hast du die fünfzigtausend Euro?“
„Ich habe einen Kredit aufgenommen, die Beamtenbank hat ihn mir fast nachgeworfen. Die Konditionen sind sehr günstig und in fünf Jahren ist alles abgezahlt.“
Man lebt jahrzehntelang mit einem Menschen zusammen und glaubt ihn in- und auswendig zu kennen. Dann merkt man auf einmal, um es mit Jean Paul Sartre zu sagen: Der andere bleibt doch immer der andere! Bei aller Nähe zu einem Menschen gibt es ein Stück Innerlichkeit, die einem verborgen bleibt. Und man sollte nie auf eine bestimmte
Weitere Kostenlose Bücher